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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Menton
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zu ihnen zusprechen. Sein Blick war irgendwie abwesend und über ihre Köpfe hinweg wohl eher in eine ferne Vergangenheit gerichtet, mit der Yuna ihn unerwartet konfrontiert hatte und mit der er offenbar nie fertig geworden war.
    „Es war ein stürmischer Abend“, sagte er und es klang so emotionslos, als wolle er ein Märchen erzählen. Es war einmal ein stürmischer Abend…
    „Ich hatte die Information bekommen, dass ein deutsches Kriegsschiff weit draußen im Kanal unsere Bucht passieren würde. Es war ein Sturm mit Windstärke 14 angesagt, nahezu ein Orkan. Wir zündeten Leuchtfeuer auf den Klippen an…und hofften es damit in die Bucht zu locken. Niemand konnte ahnen, was dann geschah. Niemand hat es gewollt!“ Seine Worte wurden schleppender und waren immer schwerer zu verstehen, als er fortfuhr. Es wirkte, als ringe er mit jedem Satz, der seinen Mund verließ, ob er ihn wirklich freilassen durfte.
    „Niemand wusste von dem holländischen Flüchtlingsschiff, das sich illegal in den Küstengewässern aufhielt, und vermutlich abseits der offiziellen Seestraßen ein Schlupfloch nach England suchte…“
    Der alte Mann senkte nun seinen Blick und sah Yuna direkt in die Augen. Sie zuckte zusammen unter der Schärfe, mit der er sie betrachtete, so als würde er sie mit einem Messer sezieren. Aber sie war nicht in der Lage, sich dieser fast schon intimen Intensität zu entziehen. Sie spürte seinen Zorn, aber da war noch etwas anderes, etwas, was sie als ein intensives, verzweifeltes Gefühl von verletztem Stolz und Scham deutete.
    „Wir wollten ein Kriegsschiff aufbringen und den Feind schwächen… nicht die Schwachen töten!“
    Er richtete sich mühsam auf, ohne sich dabei wie sonst auf seinen Stock zu stützen, dann legte er die rechte Hand auf seine linke Brust.
    „Dein Großvater hat es verstanden, denn auch er hatte ein patriotisches Herz! Er kämpfte für sein Land, ich für meins! Vive la France! Es lebe die freie Bretagne!“
    Juliens Großvater hatte einen roten Kopf bekommen und seine Frau schien zu befürchten, dass ihn jeden Moment der Schlag treffen könnte. Sie eilte zu ihm und sprach beruhigend auf ihn ein, dazwischen machte sie eine eindeutige Geste zu Yuna und Julien, die besagte, dass sie sich besser aus dem Staube machen sollten.
    Yuna hatte es nun auch mit der Angst bekommen und bereute ihre Dreistigkeit. Nie hätte sie den alten Mann so brüsk an das schreckliche Kriegsdrama erinnern dürfen. Wie ungeschickt und undiplomatisch war sie mal wieder vorgegangen. Sie schämte sich und war sehr besorgt über die Reaktion, die sie ausgelöst hatte. Darum war sie zunächst froh, als Julien sie aus dem Esszimmer zerrte.
    „Bist du wahnsinnig“, schrie er sie im Hof an. „Hast du überhaupt kein Herz? Willst du meinen Großvater umbringen? Und das alles nur wegen deiner verdammten Neugier? Weil du es nicht aushalten kannst, dass es Geheimnisse gibt, die nicht jeder kennen muss, weil sie besser Geheimnisse bleiben! Weil ihre Enthüllung nämlich niemandem nützt, aber allen schadet! Doch so etwas geht ja in deinen verdammten deutschen Dickschädel nicht rein!“
    Sie zuckte unter seinen Worten zusammen wie unter Peitschenhieben und fühlte sich schäbig und klein, als sie so unvorbereitet seine geballte Wut traf. Genauso gut hätte er ihr einen Fausthieb verpassen können, der Schmerz hätte nicht größer sein können. Denn sie begriff, dass in diesem Moment keine Liebe mehr für sie in ihm war.
    Dagegen war ihr schlagartig klar, wie sehr Julien seinen Großvater liebte und als tapferen Widerstandskämpfer verehrte. Sie hatte nicht nur diesen geliebten Menschen verletzt, sie hatte sich auch an seiner Ehre vergriffen. Sie hatte ihre Frage abgeschossen, wie einen Pfeil, der ihn mitten in sein patriotisches Herz getroffen hatte.
    Damit hatte sie das schlimmste Verbrechen begangen, was man als Gast begehen kann. Sie hatte die Gastfreundschaft dieser Familie auf das Gröbste missbraucht.
    „Geh jetzt“, sagte Julien und seine Stimme klang bitter.
    „Und komm nicht mehr wieder in dieses Haus.“

    Sie lügen, dachte Yuna, alle lügen, die Bücher, die Menschen, selbst die Geister, alle, alle lügen sie.
    Was gaukelten sie einem vor, vom immer währenden Glück der Liebe? Wozu war sie mit Julien den beschwerlichen Weg zur Dreifaltigkeitskapelle gegangen? Wozu, wenn doch niemand ihre Liebe beschützte?
    War es nicht egal, ob Yann und Gaud sie an ihrem Hochzeitstag erreicht hatten oder nicht? Was

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