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Ein Buch für Hanna

Ein Buch für Hanna

Titel: Ein Buch für Hanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Pressler
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und gerührt darüber, dass das Mädchen ihr zum Abschied ein Wörterbuch schenkte, Dänisch-Deutsch, Deutsch-Dänisch. Dani hatte ihr ein Bild mit einem Blumenstrauß gemalt.
    Herr Golde fuhr Hanna mit dem Auto zur verabredeten Bushaltestelle, wo Schula und Mira bereits warteten, zusammen mit ein paar anderen. Herr Golde stellte Hannas Koffer und ihren Rucksack zu dem Gepäck auf dem Bürgersteig, dann zog er sie ein paar Schritte zur Seite. »Hier«, sagte er und drückte ihr einen Geldschein in die Hand. Sie wollte das Geld nicht annehmen, aber er sagte: »Nimm es ruhig, Kind, du wirst es vielleicht brauchen können. Und vergiss nicht, dass du immer anrufen kannst, wenn du Hilfe benötigst. Oder ein Telegramm schicken.« Sein langes Gesicht war in sorgenvolle Falten gelegt. Hanna bedankte sich und verstaute den Schein sorgfältig in ihrem Rucksack.
    Sie war nicht wirklich traurig darüber, Kopenhagen und ihre Gastfamilie zu verlassen. Die Goldes waren gut zu ihr gewesen, das stimmte, dennoch war die Aussicht, auf dem Land zu leben und sich wieder ohne Angst bewegen zu können, sehr verlockend, und natürlich auch Schulas Versprechen, dass Mira weiterhin in ihrer Nähe sein würde.
    Bei all den Veränderungen in ihrem Leben war Mira ihr Halt geworden, ihre Stütze und ihre Zuflucht. So etwas wie eine große Schwester, ein Ersatz für Helene. Manchmal fragte Hanna sich allerdings, ob Mira sie wirklich so gern hatte, und sie gestand sich ein, dass es ihr gar nicht gefiel, wie herablassend die Ältere sich zuweilen verhielt. Doch dann dachte sie sofort: Bei Helene habe ich mich doch auch nie gefragt, ob sie mich gern hat oder nicht. Unter Schwestern spielt das keine Rolle, man gehört einfach zusammen.
    Inzwischen waren auch die anderen Mädchen angekommen. Sie standen dicht beieinander auf dem Bürgersteig, neben ihrem Gepäck, so wie sie damals, nach ihrer Ankunft in Dänemark, am Hafen gestanden hatten, und wie damals kam ein kalter Wind auf und ließ sie noch enger zusammenrücken.
    »Schon wieder ein Abschied«, sagte Mira, »der fünfte.«
    »Diesmal hoffentlich der letzte, bis wir endlich nach Palästina fahren«, sagte Rachel.
    »Oder zumindest wieder nach Hause, zu unseren Eltern«, sagte Bella mit leiser Stimme, und Hanna fiel plötzlich ein, wie verweint sie damals, auf dem Bahnhof von Leipzig, ausgesehen hatte. Diesmal fing Rosa nicht an zu singen, sie hatten gelernt, wie wichtig es war, nicht unnötig aufzufallen.
    Und dann kam er endlich, der Bus, der sie nach Korsør bringen sollte. Von dort aus würden sie mit einer Fähre nach Nyborg übersetzen, auf die Insel Fünen.

Sechstes Kapitel
    F ünen muss eine große Insel sein, dachte Hanna, als sie lustlos und widerstrebend in Nyborg hinter Schula und den anderen herlief und viel lieber in Kopenhagen gewesen wäre, in der Werkstatt bei Jesper und Marie. Nyborg war zwar deutlich kleiner als Kopenhagen, aber ein Dorf war es nicht.
    Schon bald hatte Schula einen Fuhrunternehmer gefunden, der bereit war, die Mädchen zu ihren neuen Adressen zu bringen. Sie stiegen auf die Ladefläche eines offenen Lieferwagens und setzten sich auf die beiden Bretter, die an den Längsseiten angebracht waren und als Bänke dienten. Dicht nebeneinander saßen sie da. Wie Möwen auf einem Geländer am Hafen, dachte Hanna. Und wie Möwen flatterten sie eine nach der anderen auf, wünschten den Zurückbleibenden Glück und verschwanden hinter Schula in einem fremden Haus. Kurz darauf kam Schula allein zurück und kletterte wieder auf den Lieferwagen, der zur nächsten Adresse fuhr. Je mehr Platz sie hatten, desto bedrückter sahen sie aus. Vor allem Schula ließ den Kopf hängen.
    Irgendwann, sie hatten gerade Bella abgeliefert, rief Mira: »Hört auf, solche Gesichter zu machen! In Kopenhagen habt ihr euch doch alle gefreut, dass wir aufs Land kommen, und jetzt seht ihr aus wie sieben Tage Regenwetter.«
    »Wer kann schon wissen, ob was Neues besser sein wird als das Alte«, sagte Rebekka, die als Nächste dran sein würde.
    Mira schnaubte verächtlich. »Stimmt, aber ebenso wenig kann man wissen, ob was Neues schlechter sein wird. Und außerdem haben wir keine Wahl. Was kommt, kommt.«
    Hanna schloss die Augen. Was kommt, kommt, dachte sie. So ähnlich hatte es auch die größte Erbse in der Schote gesagt: Komme, was kommen mag …
    In einer Schale waren fünf Erbsen; sie waren grün und die Schote war grün, darum glaubten sie, die ganze Welt sei grün, und das war ja auch

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