Ein Buch für Hanna
was zu fressen gibt«, sagte Bente und lachte.
»Sie sind ekelhaft und schmutzig«, sagte Hanna.
Bente schüttelte verwundert den Kopf. »Nein, sie sind nicht schmutzig, sie sind sogar besonders reinlich. Alle anderen Tiere, Kühe, Hühner, Pferde und was es sonst noch gibt, kacken überall hin, egal, wo sie gerade sind, während Schweine immer eine bestimmte Ecke benutzen. Und gescheit sind sie auch, sie erkennen jeden, der in den Stall kommt, und sie hören auf ihre Namen. Schweine sind gute Tiere, sie geben uns Menschen Nahrung. Wir haben allen Grund, ihnen dankbar zu sein und sie besonders gern zu haben.«
Nach dem Füttern machte Bente die Tür an der Rückwand des Stalls auf und ließ die Schweine hinaus auf eine eingezäunte Wiese, auf der allerdings kaum Gras wuchs. Die Schweine hatten mit ihren Rüsseln die Erde so aufgewühlt, dass sie eher einem Schlammfeld glich, aus dem da und dort Grasbüschel wie begrünte Maulwurfshügel herausragten. Im hinteren Teil, fast am Zaun, befand sich ein kleiner, flacher Teich, eher eine Wasserkuhle. Im schlammigen Rand dieser Kuhle suhlten sich die Schweine.
Dort liefen auch etliche Gänse und Enten herum, die sofort ankamen, als Bente ein paar lockende Töne ausstieß, die sich wie »putt-putt-putt« anhörten. Sie streute ihnen Körner hin, die sie aus einem Sack neben der Tür nahm. »Sie brauchen das«, sagte sie. »Nur von Würmern und Schnecken, die sie auf der Wiese finden, werden sie nicht fett genug, dass wir sie im Winter schlachten können.«
Hanna betrachtete die Gänse, ihre prallen, schön geformten Körper, die geschwungenen Hälse, die gelborangefarbenen, abgeflachten Schnäbel, und ein Schauer überlief sie. Sie sind nur auf der Welt, um geschlachtet zu werden, dachte sie. Noch nie hatte sie eine gebratene Gans gegessen, und beim Anblick dieser schönen Tiere konnte sie sich auch nicht vorstellen, das je zu wollen. Ebenso wenig wie sie sich bislang vorstellen konnte, Schweinefleisch zu essen. Tatsächlich war ihr das anfangs unangenehm, sie aß nur mit Überwindung ein paar Bissen, weil brave jüdische Kinder nicht auffallen durften und weil sie Rasmine versprochen hatte, dort, wo sie hinkam, ordentlich zu essen. Aber es dauerte nicht lange, da machte es ihr nichts mehr aus. Im Gegenteil, sie freute sich, wenn es sonntags Schweinebraten gab.
Bald machte es ihr auch nichts mehr aus, die Schweine zu versorgen. Sie fand sie zwar immer noch nicht schön, aber sie wich nicht mehr zurück, wenn diese unförmigen Tiere sich beim Füttern und Ausmisten an sie drängten. Sie tätschelte ihnen die borstigen Rücken und hielt ihnen bereitwillig die Hand hin, wenn sie mit ihren eigenartig geformten Rüsseln ankamen und an ihr schnüffeln wollten. Die Ferkel fand sie sowieso niedlich und irgendwie rührend. Jedes Mal war sie wieder überrascht, wie schnell sich die Schweine bewegen konnten, viel schneller, als man es bei ihren schweren Leibern und den kurzen Beinen erwarten würde. Besonders die Ferkel wetzten mit einer solchen Geschwindigkeit hinter ihren Müttern her, dass ihre Beinchen rotierten wie Propeller.
Hanna erschrak auch nicht mehr vor den Kühen, die ihr an den ersten Tagen ungeheuer groß und bedrohlich vorgekommen waren. Schon nach kurzer Zeit packte sie die Leitkuh am Strick, den sie um den Hals trug, und führte sie auf die Wiese, ohne sich um die anderen Kühe zu kümmern, die ihr, das wusste sie, einfach folgen würden.
Am erstaunlichsten aber war Axlan, der alte Schäferhund. Hanna hätte später nicht erklären können, wie die Freundschaft zwischen ihr und Axlan entstanden war, sie hatte sich so leicht entwickelt, so beiläufig. Hanna hatte nichts dafür tun müssen, es war, als habe der alte Hund alles geplant. Wenn Hanna die Töpfe mit Futter von der Waschküche quer über den Hof zum Schweinestall schleppte, tauchte Axlan auf und lief wie selbstverständlich neben ihr her. Wenn sie den Hühnern Körner streute, schmiegte er sich an sie und leckte ihre herabhängende Hand. Wenn sie beim Unkrautjäten nur eine kurze Verschnaufpause machte, legte er sich neben sie und schob den Kopf auf ihre Füße. Irgendwann fing sie an, ihn zu streicheln, erst zögernd und vorsichtig, dann immer unbefangener, und schließlich wartete sie jeden Morgen voller Vorfreude auf seine Begrüßung. Sie brauchte nur die Haustür aufzumachen, da lief er ihr schon entgegen und winselte vor Glück.
Neben der Arbeit mit den Tieren verbrachten Bente und Hanna viele
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