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Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser

Titel: Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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einem kurzen Augenblick sagte sie: »Er liebt mich. Das ist die Wahrheit, Elliot. Er heißt Cyril Hardeen und ist fünfundfünfzig Jahre alt. Er ist nett zu mir, nett und freundlich. Er ist überhaupt ein so freundlicher Mensch, Elliot, wie du es dir gar nicht vorstellen kannst.«
    »Das klingt großartig.« Der Hohn war unverkennbar. »Einfach ideal. Ich bin froh, dass du glücklich bist, Enid.«
    »Das bin ich eben nicht!« rief sie schluchzend.
    »Warum erzählst du das mir? Warum nicht deinem Big Daddy? Vielleicht kann ein neuer Nerzmantel auch diese Tränen trocknen...«
    »Du versuchst nicht einmal, mich zu verstehen. Als ich Cyril kennenlernte, war ich einundzwanzig. Das ist jetzt drei Jahre her, Elliot. Ich hätte ihn jederzeit verlassen können; ich hatte es geschafft und bekam lohnende Aufträge. Nicht das Geld hielt mich zurück, sondern – etwas anderes.«
    »Willst du damit etwa sagen, dass du ihn liebst?«
    »Nicht so, wie du meinst. Auch in einer Million Jahre könnte ich es dir nicht klarmachen. Du siehst alles immer nur schwarz oder weiß, Elliot, sauber oder schmutzig. Wenn du Cyril kenntest, wenn du wüsstest, wie er mich behandelt...« Sehnsüchtig, aber auch herausfordernd, blickte sie hoch. »Er ist der netteste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe. Ich könnte ihm nie wehtun. Er ist wie der Ritter in einem Märchenbuch, ein Don Quichotte...«
    »Und was jetzt?« sagte er grob. »Schlägt die Uhr bereits zwölf?«
    Einen Augenblick lang betrachtete sie ihn.
    »Das braucht sie nicht, Elliot. Nicht, wenn du es aussprichst.«
    »Wenn ich was ausspreche?«
    »Das Zauberwort. Weißt du nicht, wie es heißt?«
    »Hör zu, Enid...«
    »Sprich es aus, Elliot.«
    »Also gut! Ich liebe dich! Ist das die richtige Formel?«
    Sie lächelte leicht. »Das Wort stimmt. Nur der Ton klingt falsch.«
    »Ich liebe dich«, wiederholte Elliot langsam. »Ich möchte, dass du hier ausziehst. Ich möchte, dass du diesen Don Quichotte zum alten Eisen wirfst.«
    »Sage es nicht, weil es ihn gibt, Elliot. Sage es für mich.«
    »Ich liebe dich«, sagte Elliot.
    Bis Montag morgen klirrte ein Ritter mit weißem Backenbart durch seine Träume. Elliot wachte schon früh auf, blieb jedoch im Bett liegen und murmelte gelegentlich eigene Ratschläge vor sich hin. Das war eine Angewohnheit von ihm. Zu gern hätte er gewusst, was Enid dazu sagen würde, wenn sie verheiratet wären.
    Als er in das Büro kam, lag auf dem Löschblatt seines Schreibtisches ein gelber Zettel. Zeit: 9.30. Anrufer: Mr. Cyril Hardeen. Mitteilung: Sie sollen ihn anrufen. Darunter stand die Telefonnummer. Cyril Hardeen. Und ausgerechnet ihn sollte er anrufen.
    Er befolgte die Anweisung nicht – jedenfalls nicht sofort. Zuerst rief er Enid an.
    »Hör zu, Schatz«, sagte er. »Vielleicht ist es ein verrückter Zufall, aber Mr. Hardeen scheint mich zu kennen.«
    »Ich habe ihm alles erzählt, Elliot. Ich konnte nicht anders. Und er hat mir weder eine Szene noch sonst etwas gemacht. Er war nur schrecklich nett. Er sagte, er verstünde alles und hoffte nur, du seist – ach, du weißt schon.«
    »Deiner wert?«
    »So ungefähr.«
    »Aber warum ruft er hier an? Was will er?«
    »Nur mit dir reden. Und bitte, Elliot – sei freundlich zu ihm. Um meinetwillen.«
    »Meinetwegen«, knurrte er. »Um deinetwillen.«
    Einen Augenblick später meldete Cyril Hardeen sich am Telefon.
    »Mr. West? Vielen Dank, dass Sie anrufen.« Hardeens Stimme klang dünn und schrill, so dass man sich von ihm kein Bild machen konnte. »Enid hat mir von Ihnen erzählt...«
    Elliot schluckte und hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr sprechen zu können. »Mr. Hardeen, wenn ich...«
    »Ich hätte gern gewusst«, sagte die Stimme ungerührt, »ob es eine Möglichkeit gibt, dass wir uns einmal zusammensetzen? Am liebsten wäre es mir schon heute mittag, aber leider habe ich eine Verabredung zum Essen, die ich nicht absagen kann.«
    »Nennen Sie eine andere Zeit, Mr. Hardeen.«
    »Gut. Da Sie Junggeselle und so weiter sind, wüsste ich gern, ob es Ihnen etwas ausmachte, mich heute abend in meiner Wohnung aufzusuchen? Ich wohne mitten in der Stadt. Wir könnten einen Drink zusammen nehmen und gegenseitig feststellen, was mit dem anderen los ist. Wie finden Sie das?«
    Elliot schnitt eine Grimasse. »Großartig. Um welche Zeit?«
    »Sagen wir um sieben. Würde Ihnen das passen?«
    »Sieben Uhr passt mir ausgezeichnet.«
    Hardeen nannte ihm die Adresse, und Elliot kritzelte sie auf einen

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