Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Sie im unklaren lassen? Enid ist vierundzwanzig, verstehen Sie doch! Was für eine Zukunft könnten Sie ihr schon bieten? Eines Tages würde es doch dazu kommen – warum sich also dagegen wehren?«
Hardeen lächelte leise. »Jugend ist ein mächtiger Gegner.«
Einen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden.
»Darf ich Ihnen von mir selbst berichten, Mr. West?«
»Wenn Sie wünschen.«
»Ich bin jetzt neunundfünfzig Jahre alt«, sagte Hardeen. »Also älter, als Enid glaubt. Noch schlimmer ist jedoch, Mr. West, dass ich rückständig bin, ein Anachronismus. Ich gehöre zu den hoffnungslosesten aller Geschöpfe – ich bin ein Romantiker, der in eine Zeit schmutziger Straßen und billiger Musik hineingeboren wurde. Hätte ich Glück gehabt, wäre ich in der Zeit des Mittelalters zur Welt gekommen, als Ehre noch Ehre und Schönheit der Preis war...«
Unruhig rutschte Elliot in seinem Sessel hin und her.
»Noch einen Augenblick, Mr. West. Ich weiß, dass ich Sie mit meinem Gerede langweile, aber schenken Sie mir bitte noch einige Minuten. Zumindest das sind Sie mir schuldig.«
»Ich höre, Mr. Hardeen.«
»Nein – Sie verstehen mich nicht. Ich möchte nicht, dass Sie mich hier anhören. Ich möchte vielmehr, dass Sie mich begleiten – nach unten.«
»Nach unten?«
»Ja, unten ist ein Keller – ›komplett‹, wie man es wohl nennt. Und wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich unsere Unterhaltung gern dort zum Abschluss bringen. Glauben Sie mir, dass ich dazu meine Gründe habe. Kommen Sie mit?«
»Warum nicht?«
»Bitte hier entlang«, sagte Cyril Hardeen. Elliot ging hinter ihm her durch ein Speisezimmer mit einem imposanten Tisch, durch eine Küche, die in völlig unpassender Weise ganz modern eingerichtet war, ausgenommen lediglich die riesigen schmiedeeisernen Scharniere an den Büffets, und dann eine steile Treppe hinunter, die in die untere Region des Sandsteingebäudes führte. Als Hardeen den Schalter gefunden hatte, ertönte das Klinken verborgener Leuchtstoffröhren, deren Licht flackerte, als wären sie aus einem langen Schlaf geweckt worden; dann aber warfen sie kaltes, hartes Licht auf Wände, die mit Kork gepolstert waren, auf den Linoleumboden und eine schallschluckende Decke.
»Für Spielzimmer habe ich im Grunde nicht viel übrig«, sagte Hardeen ironisch. »Der frühere Besitzer hat bei dem allem vielleicht an Spiele wie Shuffleboard und an gemütliche Stunden vor dem Fernseher gedacht. Ich selbst benutze diesen Raum nur ganz selten, aber heute Abend habe ich für ihn eine gute Verwendung.«
Elliot drehte sich um und blickte ihn an. Der ältere Mann knöpfte langsam sein zugeschnittenes Jackett auf und ging dann zu dem Sofa. Er zog das Jackett aus, faltete es sorgfältig zusammen und legte es über die Sofalehne. In Hemdsärmeln wirkte er noch kleiner und gebrechlicher als oben.
»Also, Mr. West?« sagte er. »Verstehen Sie jetzt?«
»Was soll ich verstehen?«
»Was ich von Ihnen erwarte. Was ein Mann – jedenfalls ein Mann wie ich – von einem anderen Mann erwartet, der zwischen ihn und seine Frau tritt. Es ist ein alter Brauch, Mr. West, alt und ehrenhaft.« Er faltete seine Hände und trat einen Schritt näher.
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
Hardeens Kinn reckte sich vor.
»Ich spreche vom Kampf«, sagte er.
»Wovon?«
»Vom Kampf – von körperlichem Kampf. Was könnte näherliegen? Jahrhunderte hindurch haben Männer ihre Streitigkeiten auf diese Weise beigelegt. Daher schlage ich vor, dass wir unsere Streitigkeit auf dieselbe Art und Weise regeln.«
Elliot lachte unbehaglich. »Einen Moment. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass ich gegen Sie kämpfen werde, nicht wahr?«
»Warum nicht? Finden Sie, dass es sich um Enid nicht lohnt?«
»Das hat nichts damit zu tun. Ein Schlag auf das Kinn wird überhaupt nichts ändern, Mr. Hardeen – das sollten Sie eigentlich wissen.«
»Vielleicht haben Sie recht«, fauchte Hardeen. »Aber ob es etwas ändert oder nicht, spielt hierbei keine Rolle. Ich verlange lediglich den Beweis Ihrer Gefühle für Enid, Mr. West; ich selbst bin bereit, den Beweis für meine eigenen anzutreten. Wollen Sie jetzt kämpfen?«
Drohend kam er näher, und Elliot zog einen schnellen Vergleich. Der Mann war gut fünfzehn Zentimeter kleiner als er und wahrscheinlich neunzig Pfund leichter. Von nahem gesehen zeigte das kleine gutgeschnittene Gesicht deutlich die Spuren der neunundfünfzig Jahre.
»So etwas Verrücktes habe
Weitere Kostenlose Bücher