Ein Bündel Geschichten für lüsterne Leser
Hand hob, sowie ihren engen blauen Pullover und die verstaubten Koffer, bremste er instinktiv, fuhr dann jedoch ziemlich schnell an ihr vorbei. Er konnte keinen neuen Ärger gebrauchen – ihm hatte es gereicht.
Als er jedoch hundert Meter weit von ihr entfernt war und ihre schlanke, einsame Gestalt im Rückspiegel immer kleiner wurde, bremste er und schaltete den Rückwärtsgang ein.
Langsam näherte er sich ihr mit seinem Wagen, und er sah, wie ein Lächeln auf ihrem Gesicht aufbrach, das eine dicke Schicht Make-up hatte. Schön war sie nicht – aber er hätte es auch schlimmer treffen können. Und er war doch sehr froh, dass er das Messer im Handschuhfach gelassen hatte.
Der Preis ist Schönheit
D ie jeweilige Zeit war der eigentliche Hinweis. Zwölf, aber nicht ein Uhr. Zehn, aber nicht neun Uhr. Und dann die Tage: Montag, aber nicht Dienstag, Freitag, aber nicht Sonnabend. Nach drei Monaten genau festgelegter Tage und Stunden begann Elliot West, in Enids Verabredungen ein genaues Schema zu erkennen – ein Schema, das sich durch ihre Arbeit als Modell nicht erklären ließ. In seiner Werbeagentur hatte er mit Modellphotographen zu tun und wusste daher einiges über das Leben eines Fotomodells; und obgleich er nichts sehnlicher wünschte, als der sanften Stimme und den strahlenden Augen Enid Pattersons zu glauben, waren die Tatsachen doch zu auffällig. Wo ging sie hin? Was tat sie? Das Geheimnis war eine köstliche Qual.
Als er sie an einem Freitagabend wie verabredet um zehn Uhr abholte, blieb er mitten auf dem Wohnzimmerteppich wie angewurzelt stehen, den Mantel über dem Arm, mit grüblerischer Miene. Enid flatterte, wie üblich, durch das Zimmer, knipste überall das Licht aus und drängte ihn dann zur Tür, als wäre Eile von lebenswichtiger Bedeutung. »Um Himmels willen – gehen wir nun endlich oder nicht?« sagte sie und warf das dichte kastanienbraune Haar zurück, das ihr lang auf die Schultern hinunter hing. »Ich kann dieses Zimmer nicht mehr sehen, Elliot.«
»Ich umso mehr«, murmelte er. »Immer drängst du mich hier schnell hinaus, Enid; warum diese Besorgnis?«
»Besorgnis?« Sie stand vor ihm, ein kleines Mädchen, jedoch zu entwickelt, um als winzig bezeichnet zu werden. »Was meinst du damit?«
»Jeden Abend, wenn ich dich abhole, heißt es immer: schnell, schnell, schnell! Was, zum Teufel, stört dich denn an deiner Wohnung?«
»Stören tut mich nichts«, sagte sie ruhig. »Aber ich verbringe einen sehr großen Teil meiner Zeit hier, und wenn ich kann, gehe ich gern aus. Störend ist daran doch wohl nichts, oder?« Elliot machte einen zerknirschten Eindruck und griff nach ihrer Hand. Sie wandte sich ihm zu, und in ihren Augen spiegelte sich etwas, das sich nicht in diesem Raum befand. »Bitte, lass uns jetzt gehen«, flüsterte sie.
»Erst müssen wir darüber gesprochen haben. Weißt du – ich bin doch nicht dumm. In dieser Wohnung ist irgendetwas los. Ich spüre es förmlich. Diese verrückten Zeiten unserer Verabredungen, dieser ganze Terminkalender. Warum Freitag und nicht Sonnabend? Was tust du als Fotomodell ausgerechnet am Sonnabend?«
Sie setzte sich, den Mantel immer noch um die Schultern. »Ich glaubte, dass du mich vielleicht nie danach fragen würdest«, sagte sie leise. »Das war sehr dumm von mir, oder?«
»Um was handelt es sich, Enid? Was ist los?«
Sie erzählte es ihm. Er hörte ihr zu, ließ sie wichtige Sätze noch einmal wiederholen und versuchte, die Bedeutung jedes Wortes und jeder Betonung zu erfassen. Sein Gesicht blieb unbewegt, selbst wenn er ihr Fragen stellte.
»Und was verdienst du?« sagte er spöttisch. »Hundert, hundertfünfzig pro Woche? Des Geldes wegen hast du es doch wohl kaum getan?«
Den Mund zusammengepresst, schüttelte sie den Kopf.
»Hat er dir wenigstens geholfen? War das seine Absicht? Ein Job als Fotomodell, dein Name in großen Leuchtbuchstaben und dann der Broadway? Was, zum Teufel, war es, Enid? Es interessiert mich – rein akademisch.«
»Elliot!«
Er atmete jetzt wieder normal – mühsam, jedoch normal; nur seine Stimme war durch die unterdrückten Gefühle der Wut und Eifersucht verzerrt. »Was war es denn? Brillanten, Pelze?
»Hör auf!« rief sie. »Dann sollst du meinetwegen auch noch den Rest erfahren!«
»Was gibt es denn noch? Du hast dir jedenfalls einen Big Daddy angelacht. Dazu herzlichen Glückwunsch und alles Gute!« Er stand auf, ging jedoch nicht weg. »Meinetwegen erzähle auch noch den Rest!«
Nach
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