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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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sagte sie. „Ich hole den
Revolver. Aber dann gehen Sie, bitte! Gehen Sie!“
    Sie verließ das Zimmer und kam
mit einem großen Kaliber in ihrer kleinen Hand zurück. Ich nahm das Ding, eine
Art tragbare Kanone. Das Modell sah ich zum ersten
Mal, offensichtlich ein ausländisches Fabrikat.
    „Damit“, sagte ich und wog die
Waffe in der Hand, „kann man mühelos den härtesten Schädel zertrümmern. Und
genauso sah Demessys Dickschädel auch aus. Der Griff
könnte hinterher gereinigt worden sein. Oder aber es ist gar nicht der richtige
Revolver...“
    Die Antwort, die mir zu denken
gegeben hatte, war: , Weiß ich nicht (ob Laurédant gefährlich lebt), jedenfalls
besitzt er welche.’
    „Kann ich die anderen mal sehen? Wie viele hat er denn?“
    „Drei“, sagte sie überrascht.
„Von mir aus können Sie alle untersuchen. Ich hab keinen gebraucht.“
    „Gut, dann untersuche ich sie
eben nicht. Da Monsieur Laurédant drei Revolver, aber
nur zwei Hände hat, ich aber gar keinen, obwohl ich von Berufs wegen einen
haben darf, nehm ich diesen hier mit. Man kann gar
nicht vorsichtig genug sein.“
    Ich steckte das Mordsding ein,
was meinen Mantel häßlich ausbeulte.
    „Sie können doch nicht…“
protestierte die junge Frau.
    „Betrachten Sie’s als
Schweigegeld.“
    „Gehen Sie jetzt“, flüsterte
sie resigniert.
    Sie klingelte nicht nach dem
Dienstmädchen, sondern brachte mich selbst zur Tür. Plötzlich leuchteten ihre
Augen auf, als hätte sie gerade was ganz Neues entdeckt.
    „Ich möchte wissen“, sagte sie,
„warum ich Ihnen meine Unschuld beteuert habe. Den besten Beweis dafür haben
die Zeitungen geliefert. Kein Wort über Demessy . Man
hat die Leiche nicht gefunden. Das heißt doch, daß die Mörder sie haben
verschwinden lassen. Angenommen, ich habe Demessy umgebracht: Glauben Sie, ich wäre in die Rue Payen zurückgekehrt, um die Leiche verschwinden zu lassen? Oder glauben Sie, das
haben andere für mich erledigt?“
    „Stimmt“, stimmte ich zu.
    Man hätte noch etwas rumnörgeln
können, Einwände machen, Haarspaltereien betreiben.
Aber ich zog es vor zuzustimmen. Ihr Bericht klang glaubwürdig, ihr Protest
echt. Sie stieß ein kurzes Lachen aus.
    „Bin ich blöd! Daß mir der
Gedanke erst jetzt gekommen ist...“
    Sie war nicht die einzige, die
nicht sofort mitkriegte, wie der Hase lief. Das passiert noch ganz anderen
Leuten!
    „Also dann...“
    Sie streckte die Hand aus.
    „Geben Sie mir den Revolver
wieder“, befahl sie. „Ich brauch Ihr Schweigen nicht.“
    „Von wegen“, entgegnete ich.
„Schuldig oder nicht, was ich Laurédant erzählen
könnte, würde ihm gar nicht gefallen! Er kann sehr ungemütlich werden, Ihr
Gabriel, stimmt’s? Besser, man fordert seinen Zorn nicht heraus, hm?“
    Sie riß ihre schönen blauen
Augen weit auf:
    „Oh! Sie kennen ihn! Das haben
Sie mir nicht gesagt.“
    Ich lächelte und schwieg.
Hellseher, wie ich schon sagte. Oder sagen wir: Fakir, um Verwechslungen zu
vermeiden.
    Ich fuhr im Fahrstuhl nach
unten. Die unterschiedlichsten Gedanken jagten sich in meinem Kopf. Er lastete
so schwer auf meinen Schultern wie der konfiszierte Revolver in der
Manteltasche. Vielleicht sollte ich meinen Hinterkopf noch einmal mit dem Ding
streicheln!

13
     
    Als ich wieder in meinem Wagen
saß, war es sechs Uhr. Fast gleichzeitig mit Hélène traf ich in der Agentur
Fiat Lux ein. Meine Sekretärin kam gerade von ihrem Rundgang zurück. Hatte alle
möglichen Juweliere und Edelsteinschleifer abgeklappert auf der Suche nach dem
Hersteller des Luxus-Parfüm-Etuis. Für diesen Spaziergang hatte sie Treter mit
flachen Absätzen angezogen, die sie jetzt wieder gegen kleidsamere Schühchen
tauschte.
    „Nichts“, sagte sie
niedergeschlagen. „ Werd wohl morgen weitermachen
müssen.“
    „Nein“, gab ich zurück. „Ich
habe die Besitzerin ausfindig gemacht. Gestorben.“
    „Die Besitzerin?“
    „Nein, die Aktion. Geben Sie
mir das Etui. Ich muß es der glücklichen Besitzerin zurückgeben. Der
rechtmäßigen.“
    „Gibt’s denn mehrere?“
    „Zwei.“
    Sie reichte mir das goldene
Etui.
    „Vielleicht können Sie’s mir
mal bei Gelegenheit erklären?“ schlug sie vor. „Falls das anbetungswürdige
Geschöpf, mit dem Sie gestern zu speisen das sichtliche Vergnügen hatten, Ihre
Gedanken nicht zu sehr beschäftigt...“
    „Sofort, chérie .“
    Aber zuerst nahm ich noch einen
stärkenden Schluck Gin. Denn ich wollte ihr nicht nur die nackten

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