Ein Clochard mit schlechten Karten
werde seine Worte nie vergessen: ,Ich will, daß du in einer Umgebung mit mir schläfst,
die dir fremd ist. Das wird ein ganz besonderes Erlebnis für dich. Gefühle, die
du nicht kennst. Mach dich so hübsch fertig, wie’s nur irgendwie geht, zieh
deine schönsten Klamotten an. Ich mach’s genauso. Hab mich von deinem Geld ganz
neu eingekleidet, dir zur Ehren. Und auch, weil ich beschlossen habe, mir ein
paar schöne Tage zu gönnen. Wir werden die Liebe erleben, wie du sie noch nie
erlebt hast! In einem beschissenen Zimmer, auf einer beschissenen Matratze —
das kannst du ruhig wörtlich nehmen! — , in einem Gestank nach Abfall und
Scheiße. Mitten im hoffnungslosen Elend! Hier ist der Schlüssel. Wenn ich noch
nicht da bin, wartest du im Zimmer auf mich. Und keine Zicken, ja? Sonst pack
ich aus. Zeig dich wegen Bigamie an, und du fliegst raus aus dem Palast des
Monsieur Laurédant . Glaub mir, chérie , hin und wieder ‘ne beschissene Matratze ist besser als immer ‘ne beschissene
Matratze!’ Bei Gott, Monsieur Burma! Ich habe noch in keinen Augen solch einen
Haß gesehen.“
Die Stimme versagte ihr. Sie
hatte ihre Beichte in einem Zug abgelegt, mit wachsender Erregung. Vielleicht
erschreckte sie die Erinnerung, vielleicht aber wollte sie damit die Entscheidung
rechtfertigen, die sie nach dieser neuen Variante der Erpressung getroffen
hatte. Jedenfalls hatte sich die Erregung jetzt in Schmerz und Schauder
verwandelt.
„Mein Gott, wie kann man so
böse sein, so gemein?“
„Niemand ist böse“, sagte ich.
„Nur unbarmherzig. Und das wegen ‘ner Reihe von Dingen. Zum Beispiel, wenn
jemand durch die Umstände dazu gezwungen wird... Und wie ging’s weiter?“
„Wie’s weiterging? Ich konnte
einfach nicht mehr. Vielleicht wollte ich auch kein Geld mehr zahlen. Ich weiß
es nicht. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, ihn nie mehr loszuwerden. Es sei
denn... ein für allemal . Ich ließ mich auf das
erpreßte Rendezvous ein. Und ich bin auch hingefahren, in einem alten
Regenmantel, mit einem Revolver...“
„...am Steuer Ihres Wagens, den
Sie am Ende der Rue Payen geparkt haben“, ergänzte
ich.
„Ja. Ich ging rauf in das
angegebene Zimmer und machte Licht. Demessy lag auf
dem Bett. Tot. Ich glaube, ich habe laut gelacht. Ich war gekommen, um ihn zu
töten, aber er war schon tot. Gott sei Dank! Ich glaube jetzt, es war besser
so. Wahrscheinlich hätte ich doch nicht den Mut aufgebracht, ihn über den
Haufen zu schießen. Ich knipste das Licht aus, um seinen Anblick nicht länger
ertragen zu müssen. Sie sehen, ich konnte es gar nicht richtig genießen. Mich
verließen die Kräfte. Ich wurde ohnmächtig. Ich wollte ihn töten, und jetzt, da
er tot vor mir lag, wurde ich ohnmächtig! Nein, ich glaube, ich hätte nicht auf
ihn schießen können. Wie lange ich bewußtslos war,
weiß ich nicht. Als ich wieder zu mir kam, trat gerade jemand in das furchtbare
Zimmer. Ich habe unbewußt gehandelt, aus reinem
Selbsterhaltungstrieb. Man durfte mich nicht in diesem Zimmer finden. Also nahm
ich meinen Revolver und schlug zu.“
„Ziemlich kräftig“, sagte ich
lächelnd. „Und deswegen nehm ich mir das Recht, Sie
ein wenig zu schikanieren. Man durfte Sie nicht in dem Zimmer finden, sagen
Sie. Das versteh ich wohl, aber... Aber wenn sie Demessy abgeknallt hätten, hätte es... äh... geknallt. Leute wären angerannt gekommen.
Sie hätten nicht entwischen können.“
„Ich hatte einen Plan. Etwas
gewagt, aber ich wär das Risiko eingegangen. Ich hätte ausgesagt, ich sei spazierengegangen , Araber hätten mich in dieses Haus
gezerrt, und ich hätte mich gewehrt.“
„Das hätte sogar hingehaun . Den Nordafrikanern hängt man gerne alles
Mögliche an. Na schön, das nur am Rande. Dann sind Sie nach Hause gefahren usw.
usw. Und Ihr Mann — ich meine den, der übriggeblieben ist — hat nichts
gemerkt?“
„Nicht daß ich wüßte.“
„Wie schön für Sie! Für mich
weniger. Jetzt weiß ich immer noch nicht, wer Demessy getötet hat. Das große Geheimnis.“ Ein um
so größeres Geheimnis, da ja noch der Mord an Joséphine hinzukam,
mit derselben Handschrift. Aber davon sagte ich Wanda Laurédant ,
verwitwete Demessy , nichts. Die junge Frau sah mich
kopfschüttelnd an.
„Jetzt verdächtigen Sie mich
wieder, nicht wahr? Ich hatte ein Motiv, hatte die Absicht. Aber ich versichere
Ihnen noch mal, Monsieur Burma: Ich habe ihn nicht getötet!“
„Das wollen wir mal sehen...
Nach dem, was ich weiß und
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