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Ein Clochard mit schlechten Karten

Ein Clochard mit schlechten Karten

Titel: Ein Clochard mit schlechten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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gehört das mit dem Briefkasten zu denselben
Ablenkungsmanövern wie Ihre Visitenkarte. Benhamidh ist allerdings anderer Meinung. Na ja, mir soll’s egal sein. Diese Spur führt
sowieso in seinen Bereich...“
    „A propos Visitenkarte. Ich hoffe, Sie haben Ihre Ansicht über meine Rolle in dem
Spielchen nicht geändert, hm? Eigentlich hab ich nur deshalb angerufen...“
    „Besorgt?“
    „Man kann nie wissen.“
    „Also wirklich“, sagte der
Kommissar, wahrscheinlich achselzuckend, „manchmal sind Sie ‘n ziemlicher
Blödmann.“
    „Manchmal. Aber nicht immer.“
    Ich legte auf.
    „Haben Sie gehört?“ fragte ich
meine Sekretärin. „Die Mausefalle hat nicht funktioniert. Das bringt mich auf
eine Idee. Besser gesagt, das bestätigt mir eine, die ich schon gehabt habe.“
    „Welche?“
    „Ein Mitglied der F.L.N. wußte
über die zwischengelagerte Summe bei Joséphine Bescheid, ein Bekannter der
Hellseherin... Erinnern Sie sich? Sie war halbnackt. Das dürfen wir nie
vergessen...“
    „Oh, da vertraue ich Ihnen voll
und ganz“, bemerkte Hélène lächelnd. „Keine Gefahr, daß Sie das vergessen könnten!“
    „Halten Sie mich ruhig für nekrophil .“
    „Warum nicht? Also, was ist mit
Joséphines Bekannten?“
    „Er schlägt sie zusammen und
haut mit dem Geld ab. Warum er den Flics das große
Vergnügen der Briefkastenspur bereitet hat, weiß ich nicht. Ich nehme aber an,
daß er dadurch seine Mitstreiter warnen wollte. Deswegen ist keiner in die Rue du Docteur -Finlay gekommen. Sich
das Geld unter den Nagel reißen, ja. Aber seine Genossen ans Messer liefern und
damit die Sache verraten, nein!“
    „Die Sache hat er aber trotzdem
verraten. Schließlich war das Geld für Waffenkäufe gedacht.“
    „Ja, stimmt. Einspruch
angenommen, wie man woanders sagt. Damit verschiebt sich der Blickwinkel etwas.
Und die Geschichte mit meiner Visitenkarte paßt auch noch nicht ins Puzzle...
Scheiße! Gehen wir essen.“
    Im Restaurant wärmte ich meine
Theorie nochmal auf. Sollte doch die Mayonnaise ruhig sauer werden!
    „Das mit der Visitenkarte ist
lustig, im gewissen Sinne. Ich kenne Joséphine: sie wird getötet. Ich kenne Demessy : er wird getötet. Beide auf ähnliche Weise. Die
Hellseherin hält in ihrer leichenstarren Hand meine
Karte. Nicht die, die ich ihr gegeben habe, sondern eine andere, mit
Berufsbezeichnung. Jemand muß sie auf der Fußmatte vor der Tür gefunden haben. Célina , die Hausangestellte? Glaub ich nicht. Eher jemand
anders... Joséphines Mörder, zum Beispiel. Und der schiebt sie der Toten in die
noch nicht kalte Hand. Mit einer ganz bestimmten Absicht, die ich nicht kenne.
Noch nicht. Faroux hält das für einen Witz. Aber...
mir scheint, der Mörder gehört nicht zur Zunft der Witzbolde, Pappnasen und
Scherzartikel aller Art.“
    „Sie sollten etwas Mitleid mit
mir haben, Chef“, beklagte sich Hélène. „Erst lassen Sie mich den ganzen Tag
rumlaufen, um rauszukriegen, was Sie schon wissen. Kann mich kaum noch auf den
Beinen halten. Und jetzt stopfen Sie mir auch noch das Hirn voll.“
    „Schon gut... Und so was nennt sich ,Mitarbeiterin’ . Ja, ja! Bin ja schon still. Überhaupt
ist jetzt die Zeit zum Handeln gekommen. Hab so’n unbestimmtes Gefühl. Im Büro hängen noch ein paar alte Klamotten. Die zieh ich
gleich über. Und dann zieh ich als Clochard durch Paris.“
    „ In memoriam Paul Demessy ?“
    „Auch. Aber in erster Linie, um
bei den Nachtschwärmern an der Seine nicht aufzufallen. An der Seine und in
Ahmeds Totenhaus.“
    „Sie sind verrückt! In dem
Araberhotel?“
    „Ja und? Sie werden mich schon
nicht gleich fressen... ohne was zu trinken. So gemein sind die auch wieder
nicht. Und von Besoffenen kann man ‘ne Menge erfahren...“
    „Aber... lassen die denn
Europäer rein?“
    „ Demessy haben sie reingelassen.“
    „Eben! ‘ne seltsame
Gastfreundschaft. Nicht grade ermutigend.“
    „Machen Sie sich mal keine
Sorgen um mich. Schadet nur Ihrem Kopf, Ihren Füßen und... überhaupt.“

14
     
    Ich weiß nicht, ob diese Rué Payen abschüssig oder
ansteigend ist, ob birnen- oder apfelförmig, wie es in Phi-Phi heißt.
Aber inzwischen kannte ich sie in- und auswendig. Wieder einmal parkte ich dort
meinen Wagen. Es war elf Uhr abends. Ich sah aus wie einer auf Marie-Christines
Maskenball: verbeulter Hut schräg auf dem Kopf, abgerissener Wettermantel,
verknautschter Anzug, Marke Ziehharmonika, Rollkragenpullover.
    Verstohlen huschte ich in
Richtung Seine,

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