Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
nicht so verlegen aussehe, wie ich mich gerade fühle.
»Hallo Hannelore«, grüßt plötzlich ein gut gekleideter Mann. Er ist derjenige, der die Eröffnungsrede gehalten hat. »Wie schön, dass Sie heute da sind. Aber schade, dass nicht auch Peter kommen konnte.«
Chris, Juneko und ich lächeln ihn an und warten darauf, dass Hannelore uns miteinander bekannt macht, doch anscheinend sind wir dazu nicht wichtig genug.
Plötzlich wendet sich jedoch Hannelore, ganz die Liebenswürdigkeit in Person, an uns. »Früher habe ich hier einmal mit Nicholas gearbeitet. Meiner Lieblingsaufgabe konnte ich dabei einmal im Jahr nachgehen. Ich bin dann in London herumgelaufen, von den Randgebieten nach Wimbledon und von der Putney High Street zur Oxford Street. Dabei habe ich einfach nur fotografiert, welche Kleidung die Leute trugen. Denn jedes Jahr gibt es einen neuen Trend, eine neue Modewelle«, erklärt sie und starrt auf mich – oder eher auf meinen Kimono.
Bald muss ich meine Jeansjacke ausziehen, weil mir so heiß ist. Dabei wird klar, dass ich die völlig falsche Kleidung trage in einer Umgebung, die mir wie eine Filmkulisse vorkommt. Das Wohnzimmer und dieser Braunton strahlen eine gewisse Vertrautheit aus. Das Linoleum. Die Lampe. Dies hier ist das Berlin von 1975, und einiges davon erinnert mich an meine eigene Kindheit.
»Sollen wir nach draußen gehen? Hier drinnen ist es ganz schön heiß«, frage ich Chris.
»Ich bleibe noch, weil ich gern hören möchte, was die Besucher zur Ausstellung sagen«, erklärt Hannelore, ohne zu merken, dass ich nicht alle nach draußen eingeladen habe, sondern eigentlich nur Chris.
Chris und ich lassen Juneko und Hannelore zurück und schlendern in den Innenhof hinaus. Dort lassen wir uns auf einem turkmenischen Buchara-Teppich nieder. Der Champagner trägt dazu bei, dass ich mich merklich entspanne. Ich habe sogar das Gefühl, dass wir gleich auf diesem fliegenden Teppich in die Luft steigen.
»Laura, eigentlich wollte ich dir das hier erst später geben. Vielleicht solltest du es aber anprobieren, bevor wir gehen«, erklärt Chris und reicht mir eine Tüte aus dem V&A -Museumsshop. Ohne Hineinzusehen weiß ich schon jetzt, dass es die rote Strickjacke ist, und freue mich wahnsinnig, da ich sie mir selbst nie hätte leisten können. Doch sofort verspüre ich ein komisches Gefühl in meiner Magengrube. Wie sehr hatte ich mir ein Zeichen von Chris gewünscht, dass er mich mag! Jetzt aber fühle ich mich einfach nur schuldig.
»Chris, die Jacke ist wunderbar. Das ist wirklich lieb von dir.« Zum Dank gebe ich ihm ein Küsschen auf die Wange.
»Jetzt bin ich allerdings pleite und muss einen weiteren Zuschuss beim Kulturministerium beantragen«, erklärt Chris schnell, um die angespannte Situation zu entschärfen.
»Curtis wirst du jedenfalls kein Geld aus den Rippen leiern können«, scherze ich.
»Was für ein Geizkragen!«, erwidert Chris und schaut mir ein wenig zu lange in die Augen.
Nachdem das Taxi Chris beim Buddhistenzentrum abgesetzt hat, sind wir nun auf dem Weg zu Junekos brandneuem Bungalow.
»Sind Sie sicher, dass Sie nicht zum Dinner-Marathon mitkommen möchten?«, frage ich sie, doch schon eilt sie mit eleganten kleinen Schritten ihre unkrautfreie Einfahrt hinauf.
»Wohin nun?«, fragt der Taxifahrer.
»Sie können uns beide am Ende der Straße rauslassen«, erwidert Hannelore. Dort warte ich vor der Tür, während Hannelore kurz in ihr Haus hineinläuft, um ihre Sachertorte zu holen. Mein Blick wandert über ihren makellosen Garten und die berühmt-berüchtigte Scheune (in der Jurten gebaut werden). Die Hängetöpfe und Beete, in denen Kapuzinerkresse wächst, versprühen einen etwas altmodischen Charme. Vielleicht liegt das aber auch nur an der grün-orangen Farbmischung. Warum habe ich eigentlich nicht so viele blühende Blumen? Wahrscheinlich deshalb, weil ich einfach zu viel Zeit damit verbringe, Blumen aus Stoff herzustellen!
Hannelore reicht mir ihren perfekt aussehenden Schokoladenkuchen. Beinahe erliege ich der Versuchung, eine der Deko-Schokoblumen zu stibitzen.
»Springen Sie rein«, fordert Hannelore mich auf und öffnet die Tür ihres glänzenden Polos.
»Gehen wir denn nicht zu Fuß?«
»Gehen? Mit einer Sachertorte können wir nicht gehen!«
»Ich werde sie auch tragen«, entgegne ich. »Heute ist so ein schöner Sommerabend!«
Und schon machen wir uns zu Fuß auf den Weg zu Charlotte. Ich bewege mich dabei im Schneckentempo vorwärts
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