Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
gefällt – ich habe eine Idee und kann sie sofort umsetzen. In vielen anderen Branchen ist so etwas gar nicht möglich, denke ich und werfe einen Blick auf die Uhr.
Ich bin ein wenig verärgert, als ich die Leine weglegen muss. Ich brauche dringend mehr Zeit, um meine Ideen zu verwirklichen; gut Ding will eben Weile haben. Mir gefällt es, dass ich so anders bin als meine Schüler, die ich unterrichte. Sie leben in einer Welt, in der es immer jetzt und sofort Ergebnisse gibt – nur sind diese Ergebnisse eben immer virtuell und können nur auf einem Bildschirm betrachtet werden. Ihr Leben hat sich einen Schritt entfernt vom tatsächlichen Machen. Das Problem, mit dem ich mich allerdings im Augenblick herumschlagen muss, ist, dass ich einfach zu langsam bin, um meine Ideen zu einem vernünftigen Ende zu bringen. So kann ich nur hoffen, dass meine Handarbeit stark genug ist und die Leine der Belastung standhält. Später werde ich einen Testlauf machen – vielmehr eher einen »Test-Gang«.
Aber erst eins nach dem anderen; zuerst muss ich zum College. Mein Plan sieht so aus, dass ich ihn , meinen wichtigen Brief – jenen Brief, der mein Leben verändern wird – in Curtis’ Posteingangskörbchen lege und es dabei tunlichst vermeiden werde, irgendetwas dazu zu sagen. So stecke ich ihn also in meine Patchworktasche und mache mich auf den Weg in die Stadt.
Im College angekommen schlendere ich die Stufen hinauf und schleiche erst einmal vor Curtis’ Bürotür herum. Hoffentlich ist er nicht da! Laura, was bist du nur wieder für ein Feigling! Oftmals rufe ich Leute an, wenn ich genau weiß, dass sie nicht zuhause sind, damit ich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zurücklassen kann. Und das nur, um nicht mit ihnen reden zu müssen. Machen das andere Leute eigentlich auch? Vielleicht ist das ja der Grund, warum alle nur noch SMS -Nachrichten verschicken (es sei denn, man wohnt in Reedby und hat keinen Empfang …). So vermeidet man auf jeden Fall direkte Begegnungen.
Schnell lege ich meinen Brief in Curtis’ Posteingang und bereite mich darauf vor, sogleich wieder zu verschwinden. Wie oft schon habe ich von diesem Tag geträumt, an dem ich Curtis sagen würde, was ich von seinen Zukunftsvisionen bezüglich der Kunst halte – oder vielmehr von seinen nicht vorhandenen Zukunftsvisionen, was das betrifft. Ich würde ihm auf den Kopf zusagen, dass er mein Selbstvertrauen als Kunstlehrerin zerstört hat und er von Kunst keinen blassen Schimmer hat. Dass Kunst Zeit braucht, um zu wachsen und sich zu entwickeln. Hannelore sagt immer, dass Künstler, Kunsthandwerker und Designer die Hüter der Tradition sind und dass es keine Abkürzungen gibt, um Fähigkeiten zu beherrschen und auszuüben. Gute Kunstwerke brauchen Zeit. Warum bieten wir Kurse mit minimaler Stundenzahl an? Wie können wir nur ein Vollzeitstudium zwei Tage pro Woche anbieten, und nicht etwa fünf Tage die Woche wie noch zu meiner Studienzeit? Kein Wunder, dass die Schüler unter diesen Umständen niemals eins mit ihrem Schaffen werden und sich immer nur kurz auf eine Sache konzentrieren können. Ich erwarte allerdings nicht, dass Curtis, der Gerüchten zufolge einmal Reiseverkehrskaufmann gewesen sein soll und selbst nicht unterrichtet, Verständnis hat für all meine Punkte. Die Welt muss übergeschnappt sein. Im Augenblick scheine ich wohl eine Art Tobsuchtsanfall à la Lorina Bulwer zu haben!
Oh nein! Curtis hat mich gesehen und winkt mich durch das kleine Glasfenster zu sich ins Büro hinein. Per Zeichensprache will er mir irgendetwas mitteilen.
Ist das jetzt der Augenblick, um die Karten auf den Tisch zu legen?
»Kommen Sie rein!«, ruft er.
Gehorsam betrete ich sein Büro.
»Ich wollte mich schon eine ganze Weile lang mal mit Ihnen unterhalten.«
Ich bin erschrocken und habe unweigerlich ein komisches Gefühl. Hoffentlich merkt er nicht, wie sehr ich zittere!
»Haben Sie eigentlich die Erlaubnis des Colleges eingeholt, dieses Unternehmen mit den Accessoires zu gründen? Sie wissen sicherlich, dass Sie einen Exklusivvertrag mit dem College geschlossen haben?«
»Als Sie mich eingestellt haben, wussten Sie, dass ich als Designerin arbeite«, erwidere ich abwehrend.
Dann zwinkert er mir zu, wobei er sein fleischiges – oder sollte ich sagen: aufgedunsenes – Gesicht seltsam verzieht. Mir klopft das Herz bis zum Hals – ist jetzt der Moment gekommen, um entweder den Rückzug anzutreten oder die Flucht nach vorn zu wagen? Fragen gehen
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