Ein Cottage zum Verlieben: Roman (German Edition)
Hannelore und kommt auf mich zu. Ich weiß immer noch nicht, aus welchem Ursprungsland ihr Akzent stammt. Nicht dass ich mir zutrauen würde, dies zu erraten. Ich kann nicht mal die Akzente der verschiedenen britischen Regionen einordnen – normalerweise enden solche Versuche meinerseits damit, dass sich irgendjemand beleidigt fühlt.
Heute trägt Hannelore einen olivgrünen Anzug, der augenscheinlich aus einem Wolle-Seide-Gemisch besteht. Sie schüttelt mir die Hand, wodurch ich mich willkommen fühle – wenn mir auch als Britin eine solche Geste ein wenig fremd ist.
»Genießen Sie es, in der Jurte zu wohnen?«, erkundigt sie sich.
»Adi und die Mädchen lieben es«, erwidere ich, was tatsächlich der Wahrheit entspricht.
»Diese Nomadenzelte sind sogar die Heimat von Prinzen«, fährt sie fort.
Mir ist nicht ganz klar, ob sie damit andeuten will, dass ich mir zu schade sei, um ebenfalls in der Jurte zu wohnen. Ebenfalls war mir nicht klar, was mich erwarten würde, als ich die Anzeige im Gemeindejournal gelesen habe und dort eine Mrs H. Lawrence als Kursleiterin angegeben war. Ich fand es ein wenig merkwürdig, dass der Vorname nicht genannt wurde. Ich hätte jedoch im Leben nicht damit gerechnet, dass mir nun Davids Mutter das Nähen beibringen wird.
Der Lärm der Heizkörper an der Wand lässt nach, und allmählich wird es in dem Raum wärmer. In der Ecke entdecke ich eine junge Japanerin mit pechschwarzem Haar, die Jeans und ein gemustertes T-Shirt trägt. Vielleicht ist sie ungefähr in meinem Alter? Ob ich wohl neben ihr sitzen kann?Bei Menschen asiatischer Herkunft mit ihrer reinen Haut und dem Fehlen jeglicher Anzeichen von Cellulite fällt es jedoch schwer, das Alter zu erraten. Laura, wirst du etwa zur Rassistin?
»Kommen Sie, und setzen Sie sich hierher«, ruft mir Hannelore zu. Wie eine Erstklässlerin gehorche ich ihr und nehme zwischen zwei Damen Platz, die eifrig an ihren Nähmaschinen arbeiten.
»Das sind René und Joyce«, stellt Hannelore sie vor. Die beiden schauen kurz auf, lächeln und nähen weiter. Sie sehen so verschieden aus wie Tag und Nacht: René hat einen akkurat geschnittenen Pagenkopf und trägt einen in neutralen Farben gehaltenen Hosenanzug aus Leinen (vielleicht von Marks and Spencer ). Joyce dagegen hat silbergraues, kurz geschnittenes Haar – mit Ausnahme des Ponys, der rosa und blau gefärbt ist. Ihr handgestrickter Streifenpullover in sämtlichen Farben des Regenbogens passt zu ihrer verschrobenen Haarfarbe.
Es folgt ein kurzes Gespräch über eine Ausstellung, die man unbedingt gesehen haben muss: Die Kunst des Nähens im Barbican , dem besten Garngeschäft weit und breit, das sich allerdings in den Cotswolds im Herzen Englands befindet. Wirtschaftskrise hin oder her, diesen Damen scheint das nichts auszumachen, wenn sie ihre Ausflüge unternehmen.
Mittlerweile haben alle begonnen zu nähen. Wenn ich doch nur meine Schüler davon überzeugen könnte, hereinzukommen und ohne zu murren mit der Arbeit loszulegen. Wenn ich sie sich selbst überlassen würde, wäre es Mittag, ohne dass sie überhaupt einen Schreibstift rausgeholt hätten.
Ich hole alles aus meiner Tasche heraus und bedecke den Tisch mit Stofffetzen, meinen Entwürfen von Taschen, Halsketten und Kissenhüllen sowie den Ausschnitten aus dem Annika-Katalog. Verzweifelt schiebe ich alles hin und her, während ich versuche, dem Ganzen einen Sinn zu geben, als sei es ein Puzzle – nur scheint es bei diesem Puzzle so viele mögliche Antworten zu geben.
Ich sitze einfach nur da und starre auf meine Stoffauswahl. Diese habe ich sogar schon in farblich abgestimmte Haufen sortiert: rote, rosafarbene und orange Stoffe; blaue, grüne und türkisfarbene und zu guter Letzt neutrale Farben: Schwarz, Grau, Weiß, Cremefarben. Doch dann ändere ich meine Meinung und beschließe, die Stoffreste doch lieber nach Motiven zu sortieren: Blüten, geometrische Figuren und Haushaltsgegenstände scheinen bei Vintagestoffen die maßgeblichen Motive zu sein.
Als ich mich umschaue, bemerke ich, dass alle eifrig losnähen. Alle außer mir. Ich bin wie hypnotisiert von dem rhythmischen Surren der Nähmaschinen, doch ich genieße den Anblick der nähenden Frauen und freue mich zum ersten Mal, nichts tun zu müssen. Da kommt Hannelore zu mir herüber und mustert die vielen Stoffreste auf meinem Tisch.
»Ich habe ganz viele Ideen für Handtaschen, Portemonnaies, Halsketten und Muffins«, erkläre ich kleinlaut.
»Muffins?«,
Weitere Kostenlose Bücher