Ein Cowboy für Bille und Zottel
Englisch-Übersetzung.“
„Hm.“
Mutsch strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, dann stellte sie die Platte mit den duftenden Pfannkuchen auf den Tisch und setzte sich seufzend.
„War ein verflixt anstrengender Tag heute im Geschäft. Vor Weihnachten kaufen die Leute wie verrückt.“
„Sollte man gar nicht glauben, daß ihr das im Sparmarkt auch so merkt. Ihr führt doch kaum Geschenkartikel.“
„Aber Backzutaten.“ Onkel Paul schob sich durch die Tür, kam zu Bille herüber, gab ihr einen schmatzenden Kuß auf die Stirn, klopfte ihr auf den Rücken und murmelte etwas von „Geradehalten!“, dann setzte er sich. Sein Blick war die ganze Zeit nicht von dem Pfannkuchenberg gewichen.
„Das ist ja von großer Prächtigkeit!“ grunzte er zufrieden und hielt Mutsch seinen Teller entgegen. „Wie kommen wir zu dem erlesenen Genuß frischer Pilze?“
„Waren so viele übrig im Laden“, murmelte Mutsch. „Heute ist kaum etwas gekauft worden davon. Und länger halten sie sich nicht.“
„Was ich immer sage — viel zu luxuriös für unsere Gegend, solche Sachen. Bei dem Preis — und vor Weihnachten denken die Leute doch nur ans Geschenkekaufen und Backen. Seiberbacken ist wieder ganz groß in Mode, sage ich euch. Die Leute haben die Fertigbackwaren dick bis obenhin!“
„Kann schon sein“, meinte Mutsch. „Wer genug Zeit hat...“
Onkel Paul ließ das Pilzragout auf der Zunge zergehen.
„Die Leute kaufen nicht, sagst du? Gut — dann bestellen wir morgen gleich wieder welche. Dafür, daß wir zur Vorweihnachtszeit doppelt soviel schuften müssen wie sonst, können wir uns ruhig mal solche Extrafreuden leisten. Wo kommen die her — aus Frankreich?“
Das Wort „Frankreich“ brachte Bille schlagartig die Erlebnisse des Nachmittags zurück. Sie dachte an Karlchen — und an den geheimnisvollen Brief. Der verlockende Essensduft hatte ihre Überlegungen unterbrochen, jetzt wurde sie von neuem von einer bohrenden Neugier überfallen.
„Könnt ihr euch ein aufregendes Geheimnis vorstellen, das etwas mit Kalifornien, aber nichts mit Pferden zu tun hat?“ fragte sie in die Runde.
Onkel Paul zog in komischem Entsetzen die Augenbrauen hoch.
„Man hat dich doch nicht für Hollywood entdeckt? Als Western-Braut, weiblicher Cowboy oder so etwas?“
„Ich hab doch gesagt, daß es nichts mit Pferden zu tun hat!“
„Aha, also dann vielleicht als ,Mädchen vom Mars“ oder so — oder sollst du Mickey Mouse spielen?“
„Jetzt sei doch mal ernst! Es ist kein Geheimnis, das etwas mit mir zu tun hat — sondern mit Groß-Willmsdorf! Frau Beck hat es erwähnt, als sie Karlchen bat, einen ganz wichtigen Brief nach Kalifornien zur Post zu bringen. Wir haben sie natürlich gelöchert, um was für ein Geheimnis es sich handelt, und ob Herr Tiedjen vielleicht ein berühmtes Pferd dort kaufen will. Aber sie sagt, mit Pferden hätte es nichts zu tun.“
„Kalifornien?“ Mutsch kratzte die Reste der cremigen Soße von ihrem Teller. „Lebt da nicht seine geschiedene Frau mit seinem Sohn?“
„Im Ernst? Du meinst, der Brief war an sie? Aber was ist daran so geheimnisvoll?“
„Ganz einfach. Frau Beck wollte nicht, daß ihr eure neugierigen Nasen in Herrn Tiedjens Privatangelegenheiten steckt.“
„Aber nein! Sie sprach ausdrücklich von einem aufregenden Geheimnis, das wir bald erfahren würden!“
Mutsch schaute unschlüssig zu Onkel Paul hinüber. Dann stand sie entschlossen auf und räumte die Teller zusammen. „Dann müßt ihr euch eben noch solange gedulden.“
„Ihr beide macht Gesichter, als wüßtet ihr mehr, als ihr mir sagen wollt!“ bohrte Bille weiter.
„Ach, das sind doch bloße Vermutungen“, wehrte Mutsch ab. „Hier, verteil mal die Kompottschälchen. Der Obstsalat steht noch im Kühlschrank.“
. „Was für Vermutungen?“
Mutsch holte tief Luft.
„Wenn Herr Tiedjen euch nichts über seine Pläne gesagt hat, dann wird er seine Gründe haben. Und uns geht die ganze Sache sowieso nichts an.“
„Da bin ich nicht so sicher“, meinte Bille grübelnd. Nach einer Weile fragte sie: „Wie alt ist eigentlich der Sohn von Herrn Tiedjen?“
„Keine Ahnung. Das ist alles so lange her.“ Mutsch hatte offensichtlich keine Lust, noch länger über dieses Thema zu reden.
Bille holte die Schüssel mit dem Obstsalat aus dem Kühlschrank und stellte sie auf den Tisch.
„So alt wie du ungefähr“, brummte Onkel Paul. „Kann auch ein bißchen älter sein. Er war ja noch
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