Ein Cowboy für Bille und Zottel
fünfzehn. Also wäre es doch immerhin möglich, daß er auf die Idee gekommen ist, nun endlich mal seinen Vater zu besuchen und seinen Geburtsort zu besichtigen.“
„Na, wenn Frau Beck schon von einem aufregenden Geheimnis spricht, dann kann es sich doch eigentlich nur darum handeln. Was wäre für Bille außer Pferden und Reiten denn aufregend!“ meinte Bettina.
„Da hast du recht.“
Simon stand auf und packte sein Sattelputzzeug zusammen. Liebevoll betrachtete er sein Werk.
„Hast du mal ein Foto von dem Knaben gesehen?“ erkundigte sich Daniel.
„Nein. In seinem Wohnzimmer hat er keins, das weiß ich. Vielleicht trägt er’s in der Brieftasche mit sich herum.“
„Eigentlich komisch, daß er so ein Geheimnis daraus macht. Er hat dir doch nie etwas von einem Sohn erzählt, nicht wahr?“ fragte Bettina.
„Nein, nie.“
„Vielleicht ist er krank, hat irgendein Gebrechen oder so. Oder er ist ein bißchen zurückgeblieben — und Herr Tiedjen vermeidet deshalb, über ihn zu sprechen.“
„Schon möglich.“
„Na ja, abwarten.“ Simon gähnte. „Wenn deine Vermutung stimmt, werden wir’s ja bald erfahren.“
„Der Sterbende Schwan”
Als Bille an diesem Abend nach Hause kam, saß ihre Schwester Inge am Tisch.
„Hallo, Große! Wie kommen wir zu der seltenen Ehre deines Besuchs? Du warst lange nicht hier — ich möchte fast behaupten, als wir noch nicht im gleichen Ort wohnten, haben wir dich öfters gesehen“, flachste Bille.
„Das macht das junge Eheglück“, brummte Onkel Paul grinsend. „Da ist man nun mal am liebsten allein. Zu zweit allein natürlich.“
„Wir hatten unheimlich viel zu tun!“ verteidigte sich Inge und wurde rot. „Was glaubt ihr, was die Einrichtung des Häuschens für Arbeit macht, bis alles wirklich so ist, wie man es haben möchte. Dann der Garten — und schließlich haben wir ja auch noch einen Beruf!“
„Schon gut, ich hab’s ja nicht böse gemeint. Du bist doch sonst nicht so empfindlich?“ sagte Bille erstaunt.
„Deine Schwester fühlt sich im Moment nicht ganz wohl“, sagte Mutsch begütigend. „Da ist man eben manchmal ein bißchen zart besaitet. Hier, trink das, dann wird’s dir gleich bessergehen.“
„Kamillentee? So schlecht ist es dir?“ fragte Bille ungläubig, denn sie wußte, daß keine zehn Pferde Inge früher dazugebracht hätten, eine Tasse Kamillentee anzurühren.
Inge lächelte kläglich.
„Bist du krank — oder hat es was zu bedeuten?“
„Letzteres. . hauchte Inge.
„Ich werde Tante? Das ist ja ’ne Wucht!“ Bille fiel ihrer Schwester so stürmisch um den Hals, daß der heiße Tee über den halben Tisch schwappte.
„Na, na!“ knurrte Onkel Paul kopfschüttelnd. „Langsam! Sonst wird ihr gleich wieder schlecht!“
„Weiß es Thorsten schon?“ erkundigte sich Bille.
„Als Ehemann wird ihm das wohl kaum verborgen bleiben“, meinte Mutsch trocken.
Inge setzte seufzend die Tasse an die Lippen und trank vorsichtig ein paar Schlucke. Augenblicke später preßte sie die Hand auf den Mund und stürzte nach draußen.
„Ich habe gewußt, daß sie den Kamillentee nicht schafft“, sagte Bille achselzuckend. „Gib ihr doch lieber einen Schnaps!“
„Kommt nicht in Frage!“ Onkel Paul richtete sich empört auf. „Das wäre Gift für das Baby!“
„Wieso? Wenn mir schlecht ist, sagst du zu Mutsch doch auch, sie soll mir einen tüchtigen Schluck Rum verpassen „Das ist etwas anderes. Aber so eine junge werdende Mutter. .
„Hör sich einer das an!“ Mutsch lachte. „Das klingt fast, als ob du das Kind kriegtest!“
Nach einer Weile erschien Inge wieder in der Küche.
„Jetzt fühle ich mich besser. Du hast nicht zufällig noch etwas von deinem tollen Heringssalat da?“
„Mann, o Mann, da kannst du noch was lernen“, murmelte Bille. „Geht das den ganzen Tag so?“
„Im Augenblick leider ja.“ Inge kniete vor dem Kühlschrank und biß herzhaft in eine saure Gurke. „Ich bin ganz verzweifelt, denn am kommenden Wochenende ist doch Thorstens große Ausstellungseröffnung. Wir haben einen Haufen Leute eingeladen. Aus der Stadt kommen ein paar Kritiker — wir wollen die Gäste mit Getränken und kleinen Häppchen bewirten, aber wie ich das schaffen soll „Da mach dir man keine Sorgen!“ Bille sah zu Mutsch hinüber, die den Kamillentee seufzend wegstellte. „Wir werden das machen! Wenn Mutsch uns ein bißchen hilft — oder berät — Bettina und ich, und vielleicht auch die Jungen,
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