Ein Cowboy zum Verlieben: In einer zärtlichen Winternacht (German Edition)
Gracie möchte sie Mom nennen.“
Wenn dieses Grab so etwas wie ein Tor zwischen dieser und der nächsten Welt gewesen wäre, hätte Beth sich bereits zurückgekämpft und wäre aus ihrem Sarg gestiegen, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Er stieß ein heiseres Lachen aus.
„Ich habe dich geliebt“, sprach er ernst weiter. „Und ich werde dich wahrscheinlich immer lieben. Aber ich bin viel zu einsam, Beth, und Gracie auch. Ich möchte neben jemandem aufwachen, ich möchte, dass jemand auf mich wartet, wenn ich nach einem langen Tag auf der Ranch nach Hause komme. Ich möchte, dass Gracie von einer Frau erzogen wird, damit sie nicht eines Tages Zigarren raucht, so wie Ma befürchtet. Ich weiß, dass du mich nicht hören kannst und dass es dir nicht gefallen würde, was ich sage, wenn du mich hören könntest. Aber ich musste es einfach loswerden.“
Als er sich wieder aufrichtete, fragte er sich, was er eigentlich erwartet hatte. Eine Antwort? Beth’ Geist, der ihn von seinem Versprechen erlöste, niemals sein Herz an eine andere Frau zu verschenken?
Hinter sich hörte er einen Ast knacken – und beinahe rechnete er schon mit jenem Geist, obwohl er sofort wusste, dass es Tom war. Wenn der alte Indianer nicht gehört hätte werden wollen, dann hätte Lincoln ihn auch nicht gehört.
Wortlos wartete Lincoln darauf, dass sein Freund näher kam.
„Sie ist nicht hier, Lincoln“, sagte Tom. „Beth ist nicht hier.“
„Glaubst du vielleicht, das wüsste ich nicht?“, fragte Lincoln und rieb sich den Nacken. „Aber wo
ist
sie, Tom? Beim großen Manitu? Oder da unten in diesem Loch?“
„Warum tust du dir das an?“, fragte Tom. „Warum stehst du hier in der Kälte und Dunkelheit herum, wo du doch eine hübsche Braut hast, die im Haus auf dich wartet? Ist es, weil du nicht damit gerechnet hast, Gefühle für Juliana zu entwickeln?“
„Ich finde Juliana schön“, antwortete Lincoln knapp. „Sie ist klug und mutig, und ich will sie. Aber das ist auch schon alles, was ich fühle, Tom. Ich habe meine Frau geliebt.“
„Deine Frau ist tot.“
„Was du nicht sagst.“
Mit zusammengebissenen Zähnen und blitzenden Augen hob Tom eine Hand und schlug Lincoln so hart vor die Brust, dass er taumelte. „Lass Beth gehen.“ Es klang fast wie ein Knurren. „Juliana hat es nicht verdient, dasselbe durchzumachen wie deine Mutter.“
„Was zur Hölle soll das denn schon wieder heißen?“
„Das soll heißen, du verdammter Idiot, dass dein Pa deine Mutter aus ziemlich den gleichen Gründen geheiratet hat wie du Juliana. Er und Micah waren allein, nachdem seine erste Frau gestorben war, und er wollte, dass der Junge eine neue Mutter bekam. Er hat Cora nie geliebt und nie aufgehört, um seine arme verstorbene Mary zu trauern. Damit hat er deiner Mutter das Leben zur Hölle gemacht.“
Fassungslos öffnete Lincoln den Mund. Er brauchte eine Sekunde oder länger, bis er ihn wieder schließen konnte. Nie zuvor hatte er diese Geschichte gehört. Jetzt begriff er, warum Cora sich die Namen von Micahs vier Söhnen nie merken konnte, warum sie nie zu ihnen nach Colorado fuhr oder wenigstens ab und zu einen Brief schrieb. Vielleicht erklärte das sogar, warum Micah sich in einen anderen Staat verdrückt hatte, sobald er alt genug gewesen war.
„Warum erzählst du mir das ausgerechnet jetzt?“, fragte er bitter, während seine Gedanken wild durcheinanderwirbelten. Micah war der Sohn seines Vaters, aber nicht seiner Mutter? In diesem Moment verstand er genau, was die Leute immer meinten, wenn sie sagten, ihnen würde der Boden unter den Füßen weggezogen.
„Weil du es wissen musst.“
„Wäre schön gewesen, wenn das mal jemand erwähnt hätte, bevor Micah für immer abgehauen ist.“ Lincoln kämpfte gegen den alten Schmerz an. „Ich habe ihn immer so bewundert. Er hat nicht einmal Auf Wiedersehen gesagt. Eines Tages war er einfach verschwunden.“
„Micah ist nicht gegangen, weil er sich nicht mit Cora verstanden hat, sondern weil er es schon immer in sich hatte, zu gehen.“
„Und weil seine Familie in Colorado lebt“, vermutete Lincoln.
„Ja“, sagte Tom.
Als er spürte, wie sich etwas in ihm löste, seufzte Lincoln laut.
„Dann muss ich mich wohl nicht länger fragen, was schiefgelaufen ist. Weiß Wes davon?“
„Ja, er weiß es.“
„Bin ich der Einzige, der keine Ahnung hatte?“
„Reg dich ab, Lincoln. Wes ist etwas älter als du. Er hat einfach mehr mitbekommen, das ist
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