Ein Dämon für alle Fälle
Pulver, um auch nur mal zu niesen.«
Er braucht etwa eine Minute, um zu kapieren, worauf ich hinauswill, aber als er es schließlich' tut, wird sein Blick richtig böse.
»Was soll das denn heißen?«
»Ich meine, jetzt höre ich mir schon zwei Wochen lang an, wie ihr Burschen rumjammert, und dabei hat nicht einer von euch bisher überhaupt geschnallt, was eigentlich los ist.«
»Also schön, lieber Herr Gummiwauwau, wenn du so schlau bist, warum klärst du uns alle, die wir hier schon seit Jahren arbeiten, nicht mal darüber auf, was du in ganzen zwei Wochen mitbekommen hast.«
Ich beschließe, den Gummiwauwau-Witz zu ignorieren, denn inzwischen hören mehrere Tische voll Arbeitertypen unserem Gespräch zu, und ich befürchte, daß ich ihre Aufmerksamkeit verlieren könnte, wenn ich mir die Zeit nähme, Roxie ein bißchen den Schädel einzuschlagen.
»Ihr Typen verbringt eure ganze Zeit damit, euch zu streiten, wer von euch am schlimmsten dran ist, und dabei verpaßt ihr doch glatt den Zug. Tatsache ist doch, daß man euch allen den Arsch aufreißt.«
Und dann beginne ich damit, etwa ein Dutzend der abstoßenderen Beispiele der Ausbeutung der Arbeiterburschen aufzuzählen, die ich bei meinen Ermittlungen feststellen konnte. Als ich schließlich fertig bin, hört mir die ganze Bar zu, und überall kann man ein häßliches Murmeln vernehmen.
»Also gut, Guido. Jetzt hast du klargemacht, was du klarmachen wolltest«, sagt Roxie und will noch einen weiteren Schluck nehmen, bis er merkt, daß sein Glas leer ist. »Und was sollen wir deiner Meinung nach dagegen tun? Wir legen schließlich nicht die Firmenpolitik fest.«
Ich gewähre ihm jenes Lächeln, das bei Zeugen vor Gericht immer plötzlichen Gedächtnisverlust auslöst.
»Wir legen zwar nicht die Firmenpolitik fest, aber schließlich sind wir es, die bestimmen, ob wir zu diesen Löhnen unter diesen Bedingungen arbeiten wollen.«
Da fängt Roxie an zu glühen wie ein Kronleuchter.
»Da hast du recht!« sagt er. »Die leiten zwar die Fabrik, aber ohne uns Arbeiter gibt es auch keine Gummiwauwaus, die man verschicken kann!«
Inzwischen ist die Menge ganz schön angestachelt, und es werden Getränke bestellt wie wild, und man schlägt sich gegenseitig auf den Rücken, als doch tatsächlich so ein Miesepeter Einwände vorbringen muß.
»Und was soll die daran hindern, einfach nur neue Arbeitskräfte anzuheuern, wenn wir uns weigern?«
Das ist Sion. Wie euch vielleicht aufgefallen sein wird, plappert er nicht halb soviel herum wie Roxie, aber wenn er mal was sagt, dann neigen die anderen Arbeitertypen dazu, ihm auch zuzuhören. So ist es auch diesmal, und im Raum wird es langsam leiser, als die Arbeiterburschen versuchen, sich auf dieses neue Problem zu konzentrieren.
»Komm schon, Sion«, sagt Roxie und versucht die Sache abzuwimmeln. »Welcher Idiot würde denn schon unter solchen Arbeitsbedingungen für so einen Hungerlohn schuften?«
»Roxie, wir schuften schon seit Jahren dafür! Ich glaube kaum, daß die größere Schwierigkeiten haben werden, neue Arbeitskräfte zu finden, als es bei den alten der Fall war.«
Nun beschließe ich, die Sache wieder in die Hand zu nehmen.
»Sion, da übersiehst du aber ein paar Sachen«, wende ich ein. »Zunächst einmal braucht es Zeit, neue Arbeitskräfte anzuheuern und auszubilden. Und in dieser Zeit produziert die Fabrik keine Gummiwauwaus, die sie verkaufen können, was wiederum bedeutet, daß der Besitzer Geld verliert, und das tut er nicht gern.«
Sion zuckt nur die Achseln.
»Stimmt schon, aber wahrscheinlich nimmt er lieber die kurzfristigen Einnahmeverluste einer Fabrikschließung in Kauf, als die langfristigen Kosten, die durch höhere Löhne verursacht würden.«
»Was uns auf die zweite Sache bringt, die du übersehen hast.«
»Und die wäre?«
»Es gibt da eine unerträgliche Arbeitsbedingung, mit der sich die neuen Arbeitskräfte herumplagen müßten, wir aber nicht ... nämlich wir selbst! Wir brauchen uns nicht besonders anzustrengen, um jeden Morgen zur Arbeit zu kommen, und wenn die Burschen vom Werkschutz auch die reinsten Asse sind, was die Fabriksicherheit angeht, so kann ich mir kaum vorstellen, daß die für ein völlig neues Heer von Arbeitskräften wirklich brauchbare Leibwächter abgeben würden.«
Damit scheinen die Einwände aus dem Weg geräumt, und so machen wir uns daran, Einzelheiten auszuarbeiten. Denn wenn man als Außenstehender auch meinen mag, daß es ganz leicht sein
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