Ein Dämon für alle Fälle
müßte, eine Arbeiterbewegung zu organisieren, so muß man doch erst einmal einiges planen, bevor überhaupt irgend etwas in Bewegung geraten kann. Wir müssen die beiden anderen Schichten miteinbeziehen und uns auf eine Liste von Forderungen einigen, ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, einen Streikfond aufzufüllen für den Fall, daß die andere Seite uns aushungern will.
Viele der Burschen wollen, daß ich die Sache leite, aber ich habe das Gefühl, daß ich das nicht guten Gewissens annehmen kann, und es gelingt mir, statt dessen Roxie vorzuschlagen und ihn wählen zu lassen. Als Begründung gebe ich vor, daß die Arbeitertypen besser von jemandem vertreten werden sollten, der schon länger als nur zwei Wochen Erfahrung mit dem Job hat, aber in Wirklichkeit bin ich mir nicht sicher, wie lange ich noch habe, bis der Boß mich wieder zum normalen Dienst abberuft, und ich will doch nicht, daß die Bewegung scheitert, nur weil ihr Anführer plötzlich verschwinden muß. Statt dessen melde ich mich freiwillig dazu, die anderen darin zu unterweisen, wie man mit irgendwelchen Außenseitern umgeht, die die Fabrik anzuheuern versucht, weil doch die meisten dieser Arbeitertypen einen abgesägten Billardstock nicht von einem Reifeneisen unterscheiden können, wenn es um Tarifverhandlungen geht.
Die Arbeit im Lager und in der Bewegung' nimmt mich so sehr in Anspruch, daß ich fast mein wöchentliches Treffen mit Bunny vergessen hätte. Zum Glück fällt es mir aber noch rechtzeitig ein, und das ist auch gut so, denn Bunny ist schließlich eine Puppe, und keine Puppe hat es gern, wenn man sie vergißt.
»Hallo, Baby!« sage ich und gönne ihr dabei mein anzüglichstes Augenzwinkern. »Wie läuft's?«
»Na, du bist ja richtig gut gelaunt«, sagt sie und grinst zurück. »Ich dachte, ich hätte eine gute Nachricht für dich, aber ich schätze, du hast es bereits erfahren.«
»Erfahren? Was erfahren?«
»Der Auftrag ist beendet. Ich habe den Fall gelöst.«
Das läßt in mir doch ein wenig Schuldgefühle und peinliche Berührtheit aufkeimen, da ich schon seit Tagen nicht mehr an unseren Auftrag gedacht habe, aber ich überspiele es, indem ich mich statt dessen begeistert gebe.
»Du machst doch keine Witze? Du hast herausgefunden, wie man das Zeug hier abschleppt?«
»Nun, es war tatsächlich eigentlich weniger ein Raub als vielmehr Veruntreuung. Einer der Täufler in der Buchhaltung hat mit den Abrechnungen herumgemacht und mehr Zubehörlieferungen ausbezahlt, ' als tatsächlich eingingen.«
»Bunny«, sage ich, »denk doch bitte mal daran, daß ich meinen Abschluß nicht gerade in Buchhaltung gemacht habe. Kannst du mich vielleicht mal in einfacher Kindersprache aufklären, damit ich begreife, wie die Sache abgezogen wird?«
»In Ordnung. Wenn wir Rohmaterialien einkaufen, wird jede Lieferung gezählt, und eine Liste geht an die Buchhaltung. Auf Grund dieser Liste wird unser Lieferant bezahlt, und außerdem erfahren wir auf diese Weise, wieviel Rohmaterialien wir im Inventar haben. Nun hat unser Veruntreuer aber eine Abmachung mit den Lieferanten, die uns also mehr Material in Rechnung stellen, als wir tatsächlich bekommen. Er hat die Lieferscheine und die Empfangsbestätigungen manipuliert, damit die Zahlen gleich bleiben, hat den Lieferanten Waren bezahlt, die sie nie geliefert haben, und sich den Gewinn mit ihnen geteilt. Da aber dieselben Belegnummern für den Warenbestand im Lager verwendet wurden, hat der Besitzer, als das Material mal wieder knapp wurde, geglaubt, daß seine Angestellten ihn bestehlen würden. Die fehlenden Waren sind also gar nicht geklaut worden, sie sind überhaupt niemals in die Fabrik gekommen!«
Ich pfeife leise und anerkennend.
»Das ist ja großartig, Bunny! Wenn er das hört, wird der Boß wirklich mächtig stolz auf dich sein.«
Da errötet sie sogar ein bißchen.
»Das habe ich nicht ganz allein geschafft, weißt du. Ich hätte überhaupt nichts beweisen können, wenn du mir nicht heimlich Duplikate von den Unterlagen zugesteckt hättest.«
»Eine Kleinigkeit«, sage ich großmütig. »Ich jedenfalls werde dafür sorgen, daß der Boß genau erfährt, was für ein Wundermädchen da für ihn arbeitet, damit er dich nur richtig anerkennt.«
»Danke, Guido«, sagt sie und legt eine Hand auf meinen Arm. »Ich versuche ja selbst, ihn zu beeindrucken, aber manchmal glaube ich ...«
Sie bricht ab und wendet den Blick zur Seite, und ich merke, daß sie wohl gleich weinen wird.
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