Ein Dämon macht noch keinen Sommer
nahm meinen magischen Bremsschub zurück, und wir schwebten rasch auf das Straßenpflaster zu.
»Was war denn das für ein Wesen, das uns da gerade verpfiffen hat?« fragte Massha und spähte in die Dunkelheit, in die unser mysteriöser Saboteur gerade entschwunden war.
»Ich glaube, das war dieser Vic«, antwortete Guido unter mir. »Als er bei den Kläffern an mir vorbeigezischt ist, habe ich ihn mir gründlich anschauen können.«
»Wirklich?« fragte ich, halb zu mir selbst, und drehte mich herum, um dem verschwundenen Übeltäter hinterher zusehen. »Noch so ein Gefallen, für den wir uns revanchieren sollten,«
»Später!« befahl Aahz und setzte endlich unten auf. »Im Augenblick müssen wir vor allem erst mal hier rauskommen.«
Eine Sekunde später stand Guido neben ihm. Ich selbst musste ein Stück in die Tiefe springen, weil wir durch den mangelnden Ballast nun nicht mehr an Höhe verloren.
»Spring schon, Massha!« rief ich. »Stell den Saft ab. Ist nicht sehr tief.«
»Das versuche ich doch schon die ganze Zeit!« knurrte sie und fummelte dabei an ihrer Gürtelschnalle. »Das verdammte Ding funktioniert mal wieder nicht!«
Die Gürteleinstellung hatte sich verändert. Da ich das Seil in der Hand hielt, merkte ich, dass es keinen Auftrieb mehr hatte. Doch leider verlor Massha auch nicht an Höhe. Statt dessen schwebte sie in ungefähr fünfzehn Fuß Höhe in der Luft.
»He, Boss! Wir kriegen Gesellschaft!«
Ich folgte dem Blick meines Leibwächters. Zu unserer Linken rottete sich gerade eine Meute zusammen, und sie sah nicht eben freundlich aus. Natürlich ließ sich das nur schwer genauer feststellen, aber ich gewann den untrüglichen Eindruck, dass ihre Augen roter glühten als sonst, und ich schaffte es einfach nicht, mich davon zu überzeugen, dass dies ein gutes Zeichen sei.
»Maaasssshhhhaaa!« nörgelte ich, und meine Stimme wurde unkontrollierbar laut, als ich an dem Seil zerrte.
»Es klemmt!« jammerte sie. »Geh schon, mach dich aus dem Staub, Heißmatz. Hat doch keinen Sinn, dass sie uns gleich alle auf einmal erwischen.«
»Wir können dich doch nicht einfach hier zurücklassen!« widersprach ich.
»Für Diskussionen ist jetzt keine Zeit«, knurrte Aahz. »Guido! Geh vor uns her und mach uns den Weg frei. Wir können es uns nicht erlauben, voneinander getrennt zu werden. Also gut, los jetzt!«
Damit riss er mir das Seil aus der Hand und setzte sich in Bewegung, die Straße entlang, von der Menge fort, während Guido unsere Vorhut bildete und Massha über Aahz Kopf schwebte wie ein bunter Ballon. Ausnahmsweise hatte ich nichts dagegen, dass er meinem Leibwächter Befehle erteilte. Ich war nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, hinter meiner Gruppe herzusprinten.
Wenn der uns beobachtende Mob irgendwelche Schwierigkeiten gehabt haben sollte, sich zu entscheiden, was er tun sollte, so wurde dieses Problem durch unsere Flucht schnell gelöst. Mit Geheul stürmte die Meute die Straße entlang hinter uns her.
Wenn ich sage >mit Geheul<, so ist das keineswegs nur bildlich gemeint: Im Laufen verwandelten sich einige der Vampire in große, blutrünstig aussehende Hunde, andere in Fledermäuse, vermutlich um sich während der Verfolgung schneller fortbewegen zu können. Obwohl Aahz und ich schon öfter von einem Mob verfolgt worden waren, war dies das erste Verfolgerrudel, das uns bellend auf den Fersen war. Ich muss gestehen, dass ich auf dieses Erlebnis getrost hätte verzichten können.
»Wohin laufen wir, Aahz?« keuchte ich.
»Weg von ihnen!« rief ich zurück.
»Ich meine, später«, hakte ich nach. »Zu unserem Versteck geht es in die andere Richtung.«
»Wir können erst untertauchen, wenn wir unseren Fanclub abgeschüttelt haben«, beharrte mein Partner. »Und nun halt die Klappe und renn!«
Ich hegte zwar gewisse Zweifel, dass es uns wirklich gelingen würde, unsere Verfolger abzuhängen während Massha über unseren Köpfen schwebte und damit jederzeit unsere Position verriet, aber ich befolgte Aahz Rat und rannte den Gehsteig entlang, was das Zeug hielt. Denn wenn ich Aahz auf diese offensichtliche Tatsache aufmerksam machte, würde er möglicherweise einfach das Seil fahren lassen, um Massha ihrem eigenen Schicksal zu überlassen. Und die einzige Alternative zum Davonlaufen hätte darin bestanden, stehenzubleiben und sich dem Mob zu stellen. Alles in allem fand ich, dass das Davonlaufen bei weitem die bessere Idee war.
Guido machte uns erstaunlich gut den Weg frei.
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