Ein Dämon macht noch keinen Sommer
anderen Zauber nach den Kräftelinien greifst.«
»In Ordnung«, stimmte ich tapfer zu, den Blick noch immer unverwandt auf die Karte zu meinen Füßen gerichtet. »Aber besteht nicht die Gefahr, dass ich einfach fortgetrieben werde?« Ich kam mir schon jetzt, während ich über der Karte stand, vor, als triebe ich ab.
»Gute Frage, Kerlchen«, sagte Aahz. »Du musst eine Schlinge um deinen Fuß knüpfen.«
»Eine was?« Ich gaffte meinen Mentor an, und ich konnte ihm ansehen, dass ihn der Gedanke, ich allein würde diesen Versuch wagen, mit Sorge erfüllte. Allerdings wusste ich nicht, ob die Sorge mir galt oder eher den möglichen Folgen eines Fehlschlags, aber wenigstens war er besorgt.
»Eine Schlinge. Wie die Schnur, mit der ein Kind einen Ballon festhält«, sagte er. »Stell dir vor, eine solche Schnur verbindet den Fuß deines echten Körpers mit dem deines imaginären Körpers, während er in die Höhe schwebt. Wenn du dann zurückkehren willst, musst du dich nur an der Schnur entlanghangeln.«
Ich nickte. Das Bild war so einfach, dass sogar ich damit zurechtkommen dürfte.
»Wenn du einen guten Überblick über die Kräftelinien in und über dem Palast hast«, sagte Aahz, »machst du genau das, was du schon mit der Karte gemacht hast. Präge sie dir ein, wie du sie siehst; dann überträgst du dieses Bild in einem Zug auf das Papier.«
»Gut«, sagte ich. »Ich glaube, das kann ich schaffen.«
»Wenn du bereit bist«, sagte Aahz und wich zurück, »dann fang einfach an.«
Ich starrte die Karte zu meinen Füßen an und speicherte das Bild in meinem Kopf ab. Dann ließ ich mich treiben.
Genau so fühlte es sich an. Es war, als hätte ich alles losgelassen, was mich am Boden hielt. Ich schwebte empor und überprüfte kurz, ob ich die Schlinge sicher um meinen Fuß gelegt hatte. Sie war da, also entspannte ich mich und ließ mich einfach immer weiter emportragen.
Noch über die Kraftlinie hinaus, die ich benutzt hatte, um die Karte zu prägen, stieg ich in die Höhe, stieß durch das Dach und blieb dann in der Luft hängen, gleich über dem goldenen Schloss, das wunderschön im Sonnenschein glänzte.
Unter mir flossen Ströme blauer Energien daher, die wie ein Springbrunnen aus der Mitte des Palastes entsprangen, sich aufteilten und in Dutzende verschiedener Richtungen über Berge und Täler davonstrebten.
Ich ließ meinen Geist all die unterschiedlichen Ebenen der Kraftströme aufnehmen, bis hinab in die tiefsten Bereiche des Schlosses. Ich sah sämtliche Ströme, alle Verzweigungen und alle Orte, an denen die Kraftlinien angezapft wurden.
Dann, als ich sie alle verinnerlicht hatte, hielt ich das Bild in meinem Geist fest und stellte mir vor, wie es die blauen Linien auf der Karte zu meinen Füßen überlagerte.
Es dauerte nur einen Moment. Dann, mit einem letzten Blick auf die wunderbaren Farben der Energien und der Landschaft unter ihnen, zupfte ich an der Schlinge an meinem Fuß und war zurück in meinem Körper. Einfach so.
Ich schlug die Augen auf und sah Aahz an. Mein Mentor strahlte, als hätte er soeben sämtliche Reichtümer des Bazars auf Tauf gewonnen.
»Erstaunlich«, sagte er. »Manchmal versetzt du mich wirklich in Erstaunen.«
Ich traute mich nicht, hinabzublicken, also wich ich stattdessen einfach zurück.
Aahz schnappte sich die Karte und hielt sie mir zwangsweise vor die Nase. Nun sah ich die Zeichnung des Palastes, die ich der Karte an der Decke entnommen hatte, in schwarzen Linien.
Und darüber erkannte ich die fließenden Kräftelinien. Die Magik der Karte ließ die Energien auch in der Karte weiterfließen, so wie ich es von oben gesehen hatte.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aahz hielt etwas in der Hand, das ich geschaffen hatte, und es war wunderschön und funktionierte genauso wie geplant.
Besser als geplant. Ich hätte nie gedacht, dass die Kräftelinien im Fluss bleiben würden, aber genau das taten sie.
»Komm, Lehrling, zeigen wir den anderen, was du gemacht hast. Erstaunlich, einfach erstaunlich.«
Damit machte er kehrt und ging zur Tür.
Zum ersten Mal in unserer gemeinsamen Zeit hatte ich so etwas wie Stolz in Aahz' Stimme wahrgenommen. Vielleicht hatte ich mir dergleichen schon einmal eingebildet, aber diesmal war es real.
Es war Stolz, und das gab mir ein gutes Gefühl.
Kapitel 16
SETZ DEINEN NAMEN UNTER DIE KARTE.
A. VESPUCCI
Alle machten ein großes Trara um die Karte, die ich angefertigt hatte, und Tanda nahm mich lange und ausgesprochen
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