Ein delikater Liebesbrief
elegante Gestalt ihres Vaters und seine hohen Wangenknochen erben würden.
Henrietta saß kerzengerade auf dem Kanapee und verdrängte den Schmerz in ihrer Hüfte. Es war ein Fehler gewesen, sich auf den niedrigen Schemel zu setzen, um mit Josie spielen zu können. Doch der Schmerz verschaffte ihren Gedanken auch eine gewisse Klarheit. Sie war entstellt. Darby nicht. Allein diese Tatsache sprach gegen eine Verbindung. Sie musste ihn freigeben, damit er eine Frau finden konnte, die ebenso vollkommen war wie er.
»Ich werde meiner Stiefmutter die Wahrheit sagen«, begann sie. Dann verstummte sie wieder, denn ihr Tonfall klang ungewollt scharf.
Darby schien dies nicht aufzufallen. »Das wäre nett. Ich würde mich viel wohler fühlen, wenn meine Schwiegermutter mich nicht bei jeder Begegnung anfauchen würde.«
»Ich wollte damit sagen, dass ich ihr die Wahrheit gestehen werde, und dann wird es keinen Grund mehr geben, diese Ehe einzugehen.«
Er zog die Brauen zusammen. »Wir haben doch eine Vereinbarung getroffen. Ich habe die Sondererlaubnis besorgt. Warum brichst du dein Wort, Henrietta?«
»Weil du es nicht verdienst, auf diese Weise zur Ehe gezwungen zu werden.«
Darby stand im Licht der letzten Sonnenstrahlen, die durch die Fenster hereinfielen. Henrietta wollte nicht mehr an seine Schönheit denken. Es war geradezu ermüdend, wie attraktiv er war … Nun, es stand ihm frei, nach London zurückzukehren und eine Frau zu finden, die zu ihm passte.
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte er, hob den Stock mit dem Bernsteinkopf und untersuchte ihn auf Kratzer. Natürlich waren keine zu sehen.
»Wir passen nicht zueinander«, sagte Henrietta.
»Ich denke doch.«
Was sollte sie dazu schon sagen? Sie schwieg.
Darby kam auf sie zu, ein Muster an Selbstbeherrschung. »Wir haben einen Handel abgeschlossen, Henrietta. Nun erwarte ich, dass du ihn auch erfüllst.« Er richtete den Blick zur Decke. »Die beiden kleinen Wesen dort oben bedürfen deiner Fürsorge. Sobald wir unser Gelübde gesprochen haben, sind es deine Kinder. Du hast gesagt, du willst sie, und nun wirst du sie bekommen.«
»Vielleicht möchtest du eines Tages eigene Kinder haben.«
»Ich glaube, dass ich das wohl am besten beurteilen kann. Ich ziehe die Beziehung vor, die du für uns entworfen hast, denn mir scheint, wir beide können dabei nur gewinnen. Und wenn es auch nicht so aussieht, so liegen mir meine Stiefschwestern sehr am Herzen.«
»Das habe ich schon gemerkt.«
»Wir sollten lieber lernen, offen zueinander zu sein«, fuhr er fort. »Meine Mutter besaß ein furchtbares Temperament, Henrietta. Zweifelhafte Berühmtheit erlangte sie durch einen Wutanfall bei einem Dinner in Buxton – in Gegenwart des Regenten.« Er hielt inne, als müsste sie wissen, worauf er anspielte.
Henrietta versuchte, fragend, aber nicht neugierig, dreinzuschauen.
»Sie hat eine Scheibe Roastbeef quer über den Tisch nach meinem Vater geworfen. Unglücklicherweise war das Fleisch mit Meerrettich bestrichen«, erzählte Darby leidenschaftslos. »Der Meerrettich ist einem Gentleman namens Cole, dem jüngeren Sohn von Erzbischof Cole, ins rechte Auge gespritzt. Danach war sein Sehvermögen für längere Zeit erheblich beeinträchtigt.«
»Aha«, machte Henrietta.
Darby fuhr fort. »Meine Mutter war ein rechter Hausdrachen. Sie wusste ihre Wut nicht zu zügeln und warf regelmäßig mit Gegenständen um sich. Offenbar hat das meinen Vater aber nicht gestört, denn kurz nach ihrem Tode heiratete er wieder eine übellaunige Frau mit starker Wurfkraft. Auf dem letzten Weihnachtsfest, das sie erlebte, warf sie eine Suppenterrine nach dem Vikar. Ich muss gestehen, dass ich mir in dieser Hinsicht Sorgen mache um Josie. Sie zeigt deutliche Anzeichen, ebenfalls das mütterliche Temperament zu entwickeln.«
Henrietta schluckte. »Vergiss bitte nicht, dass ich diejenige war, die Josie mit Wasser übergossen hat. Ich bezweifle stark, dass ich fähig sein würde, ihr Fügsamkeit beizubringen.«
»Im Gegenteil. Dir bereitet es keinerlei Probleme, den Anstand zu wahren. Es dürfte genügen, wenn du Josie ein paar sanftere Methoden zur Erreichung ihrer Ziele beibringst. Nimm beispielsweise diesen anmutigen Ohnmachtsanfall beim Dinner meiner Tante.« Er lächelte sie auf jene besondere Weise an, die stets ihr Inneres zum Schmelzen brachte.
Henrietta errötete. »Er schien mir zu dem Zeitpunkt angemessen zu sein.«
»Lehre Josie ein paar Techniken, die mit weniger
Weitere Kostenlose Bücher