Ein delikater Liebesbrief
in der Tat ein Vergnügen. Darby, ich nehme alles zurück, was ich in der Kutsche gesagt habe.«
Sobald er das Zimmer verlassen hatte, wandte Henrietta sich Darby zu. »Wusste ich es doch, dass er dir in der Kutsche schreckliche Dinge erzählt hat!«
Ihr Mann zog sie vom Stuhl hoch, bevor er antwortete. »Ich habe gar nicht zugehört.«
Er sah ihr tief in die Augen. Plötzlich wurde sich Henrietta bewusst, dass sie mit ihm allein war. Sie brauchten keine Anstandsdame mehr. Sie waren jetzt Mann und Frau.
»Ich habe an ganz andere Dinge gedacht.«
36
Eine Hochzeitsnacht
Eine Hochzeitsnacht ist für jeden Menschen anders: furchtbar beängstigend für die Widerwilligen, viel zu schnell vorüber für die Erwartungsvollen.
Henrietta hatte genug Liebeslyrik gelesen – insbesondere Gedichte, in denen die Nacht der Nächte besungen wurde –, um zu wissen, dass manche Frauen durchaus voller Erwartung waren. Man höre nur Julia, wie sie von Romeo schwärmt, der auf ihr liegen wird wie frischer Schnee auf eines Raben Rücken. Natürlich waren dies Julias Worte gewesen, bevor Romeo in ihr Zimmer kletterte – nach Henriettas Meinung war das ein wichtiger Unterschied. Denn die blutjunge Julia hatte nicht gewusst, worin der eheliche Akt bestand, während sie, Henrietta, dies sehr wohl wusste.
Sie hatte einfach schon zu viel über den Vorgang erzählt bekommen, um ihn sehnlichst zu erwarten. Hinge vor ihrem Fenster eine Strickleiter herab, so würde sie eilends flüchten, auch wenn Strickleitern zweifellos schwierig zu bewältigen waren. Sehnsüchtig starrte sie hinaus, doch vor ihrem Fenster war nichts weiter als eine Backsteinmauer, über die der Wind Schneeflocken wehte.
»Halt einfach still«, hatte Millicent ihr noch am Morgen vor der Trauung geraten. »Es ist schneller vorbei, wenn du ganz still liegst. Denk dabei an etwas Nützliches. Ich habe oft im Geiste die Leintücher gezählt. Auf diese Weise wird es einem nicht so lästig.« Dann hatte sie praktische, wenn auch ekelerregende Details hinzugefügt, wie sie mit Ausfluss umgehen sollte. Henrietta verstand diese Dinge nicht wirklich. Laut Millicent war der ganze Vorgang in etwa so unsauber wie die Regelblutung, die Henrietta ohnehin verhasst war. Hätte sie vorher gewusst, dass man am Tage nach dem ehelichen Verkehr Lappen vorlegen musste, dann hätte sie nie in die Ehe eingewilligt.
Doch Anabel hatte beim Gutenachtsagen Mama zu ihr gesagt und Josie hatte vor dem Zubettgehen nur einen ganz leichten Tränenausbruch gehabt, an dem jedoch Anabel schuld war, weil sie auf Josies Nachthemd erbrochen hatte. Wenn man mit Erbrochenem besudelt wurde, war das ein hinreichender Grund für einen Wutausbruch, fand Henrietta. Nun schliefen beide Kinder fest und ein liebenswertes Mädchen namens Jenny wachte über ihren Schlaf. Und was noch besser war: Jenny hatte eingewilligt, sie nach London zu begleiten.
Nachdem dies alles erledigt war, fand sich die frischvermählte Henrietta Darby im größten Schlafgemach wieder, das im Bär und Eule zu haben war. Allein.
Sie wusste nicht, ob sie sich entkleiden sollte oder nicht. Umständlich war es nicht, sie trug nur ein schlichtes Reisekleid, das sie selbst aufknöpfen konnte, da sie keine Zofe hatte. Schließlich nahm sie ein Bad (um die Reste von Anabels Abendessen loszuwerden) und streifte ihr Nachthemd sowie einen Morgenmantel über.
Sie saß am Fenster und sinnierte trübsinnig über Rapunzels Fähigkeit, das eigene Haar in eine Leiter zu verwandeln, als die Tür aufging und Darby eintrat.
»Guten Abend!«, begrüßte er sie. Er hatte eine Flasche Wein und zwei Gläser mitgebracht. Henrietta bedachte ihn mit einem verbitteren Blick. Seiner lästigen Begierde war es zu verdanken, dass sie sich einer so unerfreulichen Prozedur unterziehen musste.
Und dass Darby so elegant aussah, machte es in Henriettas Augen noch schlimmer. Es war ein langer anstrengender Tag gewesen, doch er war wie immer untadelig gekleidet. Sein Haar war auf eine gewollt wirkende Art verstrubbelt und seine Finger, die den Korken aus der Flasche zogen, waren lang und gepflegt. Warum musste sie Ausfluss und Schmerzen und Blut erdulden, während er unversehrt und elegant bleiben würde?
Darby reichte ihr ein Glas und sie nahm einen Schluck Wein. Trotz aller Bitterkeit war sie im Grunde neugierig, wie ihr Mann ohne Kleider aussehen würde – zweifellos ein unziemlicher Gedanke.
»Ich war noch unten und der Gastwirt hat mir bestätigt, dass wir eingeschneit
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