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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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Höhe zogen Rauchschwalben ihre Kreise, geschrumpft zu schwarzen Punkten, die wie verirrte Projektile scheinbar ziellos hin und her flogen. Auf den Balkons waren Badesachen zum Trocknen aufgehängt.
    Das letzte Sonnenlicht erfasste die Stirnseite des Hauses frontal, so, als hätte jemand in größerer Entfernung mehrere Halogenscheinwerfer darauf gerichtet. Ein Feigenbaum breitete seine schattenspendende Krone über den Eingang. Es roch betäubend süß nach überreifen Früchten.
    Brigitte trat an die von Hand geschriebenen Klingelknöpfe und las Mariannes Namen, Marianne Andernach. Ihr Herz klopfte wie wild. Hilfesuchend sah sie sich nach dem Taxifahrerum, der neben seinem Wagen stand und rauchte und keine Notiz von ihr nahm. Sie wartete, bis ihr Puls sich ein wenig beruhigte, dann drückte sie den oberen der beiden Knöpfe, machte einen Schritt zurück, legte den Kopf in den Nacken und spähte erwartungsvoll hinauf. Es waren sicher noch an die 30 Grad. Brigitte fröstelte.
    Es dauerte ein paar Sekunden. Dann wurden hinter der massiven, lackblätternden Holztür Geräusche laut, der Schlüssel drehte sich im Schloss, und die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet.
    Vor ihr stand ein alte, mit schwarzen Flipflops und einer blauen, ihr bis knapp über die knochigen Knie reichenden Kittelschürze bekleidete grauhaarige Frau und sah sie fragend an. Ihre nicht sehr großen grauen Augen lagen in tiefen Höhlen, und durch die wellige Haut ihrer schlaffen Oberarme schimmerten dicke bläuliche Adern. In die Lücke zwischen Tür und Rahmen zwängten sich zwei rotbraun getigerte Katzen.
    »Guten Tag! Mein Name ist Brigitte Fischer, und ich komme aus Deutschland. Ich …«, begann sie, doch plötzlich versagte ihr die Stimme. Sie drehte sich um und bat den Fahrer, die Frau nach Marianne Andernach zu fragen. Die beiden unterhielten sich kurz, Brigitte konnte mehrfach das Wort »hospital« heraushören. Dann schloss sich die Tür, und die Alte war mitsamt ihren Katzen verschwunden.
    »Man hat sie letzte Woche nach Barcelona ins Hospital de Santa Creu i de Sant Pau in der Sant Maria Claret gebracht«, sagte der Fahrer und steckte sich eine Zigarette an. »Wenn Sie wollen, fahre ich Sie hin.«

23
    Neue Ruhr Zeitung
    Kugelhagel: 62 Schüsse auf den Geisel-Wagen. Neue Fakten – Peilsender am Fluchtauto installiert
    Düsseldorf. Beim blutigen Finale des Geisel-Dramas am Kilometer 37,5 der Autobahn Köln–Frankfurt haben die Polizisten des Sondereinsatzkommandos 62 Schüsse abgefeuert. Nur einer traf – den Gangster Hans-Jürgen Rösner. Das Trio schoss dagegen im Verlauf der als Notzugriff eingestuften Aktion nur achtmal. Ein bisher unbekannter Fakt.
    ***
    EXPRESS
    »Das tödliche Ende des Geisel-Dramas: Sie war erst 18! Eine Kugel traf die Geisel mitten ins Herz!«
    exp. Köln – Das Geisel-Drama, das kurz vor acht in Gladbeck begonnen hatte, endete gestern nach 54 Stunden mit einer Tragödie. Um 13.45 Uhr rammte ein Spezialkommando der Polizei auf der Autobahn A3 bei Bad Honnef das Fluchtauto der Gangster. Eine Blendgranate explodierte, Schüsse fielen. Eine Kugel traf die 18jährige Geisel Silke Bischoff aus Bremen ins Herz. Sie war sofort tot! Geplante Geiselrettung als Inferno.
    ***
    Frankfurter Neue Presse
    Gladbecker Geiseldrama: »Bei Cola-Pause hätte Polizei handeln können.«
    Laut Einsatzprotokoll der Polizei machten die Gangster auf ihrer Fahrt durch Niedersachsen mit ihren Geiseln A. und B. um 17.15 Uhr in Kirchweyhe eine etwa 15 Minuten lange Erfrischungspause unter den Augen der sie observierenden Polizeieinheiten aus NRW und Niedersachsen. Bei dieser Cola-Pause hätten Rösner und Degowski das Auto verlassen. Warum griff die Polizei in diesem Moment nicht zu? Rösner hatte sich mit dem Ellbogen auf das Dach des PKW gelehnt, die Handfeuerwaffe im Hosenbund.
    ***
    Die Welt
    »Waren Gladbecker Geiseln im Wagen der Gangster zeitweise ganz allein?«
    Neue Kritik der Düsseldorfer CDU am Verhalten der Polizei. Denn: Tatsache ist, dass Degowski nicht nur eingeschlafen sei, sondern auch das Fluchtfahrzeug verlassen habe, sich einige Meter entfernte, um Wasser zu lassen. Und die Polizei sah zu.
    ***
    die tageszeitung
    »Geiseldrama: Polizei enttarnte sich selbst«
    Ein der taz vorliegendes Protokoll aus NRW lässt den Schluss zu, dass ungeschicktes Polizeiverhalten die Geiselfreilassung verhinderte. Ein Gladbecker Einsatzleiter gestand offensichtliche Fehler, wurde aber nicht gehört, um die laufenden Ermittlungen nicht

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