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Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Henning
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hörte er, wie sie sich, offenbar am Becken stehend, das Gesicht mit kaltem Wasser wusch.
    »Schade«, murmelte Bertram halblaut. Kurz darauf ging das Licht im Bad aus, und sie kam angezogen zurück ins Schlafzimmer.
    »Komm her«, sagte er, drehte sich auf den Rücken und streckte beide Arme nach ihr aus. »Küss mich!«
    Sie beugte sich über ihn und ließ durch ein sachtes Hin-und-her-Wiegen ihres Kopfes ihr nun offenes Haar ein paarmal spielerisch über seine Brust gleiten. Dann drückte sie ihm einen zärtlichen Kuss auf die Nasenspitze und machte sich wieder von ihm los. »Ich ruf dich an«, rief sie, und keine zehn Sekunden später hörte er auch schon, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.
    Bertram schielte zum offenen Fenster hinüber, wo sich, von einem verirrten Luftzug erfasst, das in dem Blumenkasten befestigte Windrad leise surrend drehte. Er dachte an das, was wenige Stunden zuvor zwischen ihm und Sylvia passiert war. Sie hatten einander erforscht wie rücksichtslose Entdeckungsreisende, und jede neue Entdeckung übertraf die vorhergehende. Alles war ohne jedes Missverständnis, ohne die kleinste Irritation abgelaufen.
    Bertram hatte Durst. Mit einem Ruck richtete er sich auf, blieb aber noch sitzen, fuhr sich mit der Hand ein paarmal durch das feuchte Haar und horchte auf das schwache Rauschen der durch die Nacht fahrenden Autos, das vom nahen Friesenplatz herüberdrang. Schließlich erhob er sich und tappte in Richtung Küche, blieb aber vor dem blinkenden Anrufbeantworter stehen und drückte mit dem Fuß die Wiedergabe-Taste. Ein mechanisches Klacken ertönte, dann erklang Sirvans Stimme.
    »Gehst du mir aus dem Weg, oder was?«, begann sie mit ungewohnter Dringlichkeit. »Ich würde jetzt so gerne mit dir reden statt mit dieser blöden Maschine. Doch jetzt bist du nicht da. Thomas! Also hör mir genau zu. Ich habe heute unser Kind abgetrieben! Ja, unser Kind.«
    Dann hielt sie inne, atmete einmal tief ein und stieß die Luft laut wieder aus. »Du kannst dir wahrscheinlich nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Und wie ich mich gerade fühle. Aber egal. Also ich … Ich hätte dich gebraucht, heute! Na ja, auch egal! Du brauchst nicht mehr zurückrufen. Es ist alles gesagt.«
    Genau an dieser Stelle setzte das Rauschen ein. Laut und mächtig erhob es sich aus der Tiefe seines Schädels wie Nebel aus einer Schlucht. Übertönte Sirvans Stimme, legte sich darüber wie eine Hand, die sich um ein eingeschaltetes Mikrophon schließt.
    Bertram holte aus und trat auf die Stopp-Taste, hart und böse, als handle es sich um ein gefährliches Insekt, das es unter allen Umständen unschädlich zu machen galt, ehe es seinerseits zum Angriff überging. Er trat so lange auf den kleinen rechteckigen Schalter ein, bis der Apparat den Geist aufgab, Sirvans Stimme verstummte und sämtliche Kontrollleuchten erloschen.
    Atemlos hielt er inne. Er fühlte sein Herz bis zum Hals hinauf schlagen. Spürte dessen steten Widerhall als dumpfes, schmerzhaftes Pochen ganz hinten im Mund. Er schloss zitternd die Augen, vernahm die spärlichen stumpfen Geräusche, die der Frühaufsteher in der Wohnung über ihm verursachte.
    Er war geflogen, kurz und süß, und hatte alles haben wollen, umsonst und ohne Folgen. Doch die Schwerkraft der Verhältnisse hatte ihn zurückgeholt. Ein Problem war verschwunden, ein anderes aufgetaucht. Es war nichts vorbei, nichts zu Ende. Das Schicksal hatte ihm bloß eine Verschnaufpause gegönnt.

24
    BILD
    »Geisel Ines Voitle erzählt: Alle tranken Dosenbier!«
    Ines V.: »Die Atmosphäre im Auto war ganz gut. Wir hatten keine Angst mehr, waren beruhigt. Wir haben Dosenbier getrunken. Die Freundin von Rösner, Degowski – hinten bei uns – sowie Silke und ich. Wir haben noch darauf getrunken, dass alles gut wird. Dann kam plötzlich von hinten ein Wagen angerast, den hatte keiner gesehen. Und dann fielen die ersten Schüsse.«
    ***
    EXPRESS
    »Silke schrie: Nein, bitte nicht!« Der erschütternde Bericht ihrer Freundin Ines: Nebel, Chaos, scharfe Schüsse. »Auf einmal hörte ich Gebrüll, so eine Art Indianergeschrei, Schüsse, und dann fuhr uns der Wagen hinten rein. Silke hat geschrien: ›Spring raus, geh raus, geh raus! Ich habe die Tür aufgemacht und bin raus. Dass ich auf Silke gehört habe, hat mir das Leben gerettet!‹
    ***

Dank
    Ich danke Peter Meyer für sein Vertrauen und das Treffen in Hamburg-Harburg. Walter de L’Aigle für die vielen Stunden in der »Schlachterei«;

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