Ein deutscher Sommer: Roman (German Edition)
zu stören. Ein Musterbeispiel deutscher Polizeiarbeit.
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Kölnische Rundschau
»Obduktion ergab: Geiselgangster tötete Silke mit einem Schuss ins Herz«
Innenminister Schnoor übernimmt Verantwortung für Beamten-Einsatz – Degowski gesteht Mord an Fünfzehnjährigem. Rösner dagegen weist die Ermordung der Silke Bischoff weit von sich. »Wollten die beiden in Kürze freilassen. Warum hätte ich die erschießen sollen?«
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BILD
»Musste Silke sterben, weil sie so schön war?«
Onkel: Gangster hatten es von Anfang an auf sie abgesehen.
Die Angehörigen von Silke Bischoff (18), die bei dem blutigen Sturm auf das Fluchtauto von Hans-Jürgen Rösner (31) mit einem Schuss ins Herz getötet wurde, haben bei der Kölner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen die verantwortlichen Polizeichefs erstattet. Wegen des Verdachts, »… dass der gewaltsamen Beendigung der Geiselnahme Vorrang eingeräumt wurde vor dem Schutz des Lebens der Geiseln«.
Auf seiner Citizen war es drei Minuten vor halb neun, als er mit einem Strauß langstieliger Baccara-Rosen im Arm vor dem Carlo stand. Die tiefroten Blüten schauten aus dem Papier hervor wie Silvesterraketen, die nur darauf warteten, zur Feier des Tages zischend und funkensprühend in den warmen Kölner Nachthimmel aufzusteigen. Bis er am Ende in einem Blumenladen namens »Blütentraum« am Rudolfplatz fündig wurde, war er über eine halbe Stunde lang erfolglos den Kaiser-Wilhelm-Ring rauf- und runtergelaufen.
Inzwischen fühlte Bertram sich wie einmal durchs Wasser gezogen. Seine Nackenhaare waren triefnass, am Bauch und unter seinen Achseln hatten sich bizarre Schweißflecken gebildet, die locker mit jedem noch so krakeligen Rohrschachtest-Motiv konkurrieren konnten.
Im Grunde konnte er sich den völlig durchgeschwitzten Lumpen auf der Stelle vom Leib reißen und sich damit einmal über den Nacken und übers Gesicht fahren, ehe er ihn in den nächsten Papierkorb beförderte und sich auf dem Absatz umdrehte, um sich in einer der Boutiquen am Friesenplatz auf die Schnelle was Frisches zu besorgen. Doch dafür war nun keine Zeit mehr. Die unter einer gelb-weißen Markise vor ihren Weißweingläsern und ihren Lachs-Carpaccios sitzenden Gaffer hatten ihn bereits amüsiert ins Visier genommen. Also wischte er sich hastig den gröbsten Schweiß aus dem Gesicht, strich sich ordnend die Haare nach hinten und stopfte sein an den Seiten herausgerutschtes Hemd wieder unter den Hosenbund. Dann betrat er das Restaurant. An der Decke sternförmig angebrachte Neonröhren tauchten den Raum in einen dämmrig-bunten Schummer.
Sylvia, die sich klugerweise an einem der Tische im kühlen, hinteren Teil des langgezogenen Raums niedergelassen hatte, heftete, als sie ihn sah, ihren Blick auf ihn wie auf einen Schauspieler, der in einem dunklen Theatersaal die Bühne betritt. Zu der Musik von Alphaville wiegte sie sachte ihren Kopf und lächelte.
Bertram hielt ihr lässig den Strauß hin, drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre dezent nach Aprikose und einer Prise Zimt duftende rechte Wange und nahm ihr gegenüber Platz.
»Wow, danke!«, zirpte Sylvia, drückte den Strauß wie ein Baby an ihre Brust und schob mit geschlossenen Augen ihre Nase in die blutroten Blütenkelche. Genauso hatte es Lesley Ann Warren in dem Film »Choose Me« gemacht, als Keith Carradine ihr einen Strauß hinhielt. Bertram hatte den Film kürzlich spätabends im Fernsehen gesehen. Er liebte diese Geste der Frauen, die so verdammt viel Bereitschaft zu mehr verriet. Hinterher hatte er nackt vor dem Spiegel seines Kleiderschranks masturbiert und sich dabei Lesley Ann Warrens leicht nach außen gebogene Brüste vorgestellt.
»Moment, ich hol eine Vase«, rief Bertram und sprang sogleich wieder auf und strebte auf die hinter der hell erleuchteten Vorspeisenvitrine stehende Bedienung zu. Während die junge Frau ein Weizenglas aus dem Regal hinter sich nahm, wandte er sich zu Sylvia um und dachte: Heute bist du fällig.
Eine halbe Stunde später hatten sie ihren zweiten Prosecco intus, und Sylvia schob mit dem Messer die letzten, in einer schimmernden Öllache liegenden Reste ihres Meeresfrüchtesalats auf ihre Gabel. Bertram, der auf eine Vorspeise verzichtete, wartete auf seine Scaloppina in Weißweinsoße. Nach all den in den letzten Tagen erlebten Kurseinbrüchen hatte er mit Blick auf das hinreißende, herrlich nach frischen Aprikosen duftende Wesen gegenüber das Gefühl, endlich wieder in der Gewinnzone zu
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