Ein deutscher Wandersommer
»der könnte glatt dieReklame für Havesta-Makrelen oder Fishermen’s Friend machen.«
Markus drehte sich um, riss die Augen auf und fing sofort zu fotografieren an.
»Ist ja unglaublich – ein tolles Gesicht!«
Markus drückte ein ums andere Mal den Auslöser, hielt mit der anderen Hand einen zweiten Blitzer etwas seitlich, sodass er noch ein bisschen mehr Kunstlicht und »Kante« von rechts bekam.
Der alte Mecklenburger war damit nicht so recht einverstanden, sagte aber nichts. Und Markus war so hingerissen, dass er den Unmut und das Unbehagen des Mannes nicht bemerkte. Irgendwann, nachdem er bestimmt fünfzig Bilder geschossen und dabei das Objekt seiner Begierde zigmal mit dem Blitzlicht geblendet hatte, merkte Markus, dass der Mann, dem das Ganze immer weniger behagte, von Foto zu Foto steifer wurde. Da versuchte er – alter Fotografentrick – noch mal Leben in das »Model« zu bringen. Nun konnte er aber schlecht sagen: »Jetzt komm mal auf mich zu und schwenk dabei die Reuse« oder etwas in der Art. Schließlich stand vor ihm eben kein Fotomodell, sondern ein leicht angepisster Mecklenburger.
»Es ist herrlich hier, und Sie haben ein tolles Gesicht …«, versuchte Markus den Mann in ein Gespräch zu verwickeln.
Keine Reaktion.
»Was fangen Sie denn hier überwiegend?«
»Maränen.«
Den Mecklenburgern sagt man ja nach, dass sie dickköpfig, zurückhaltend und konservativ sind. Und vor allem wortkarg. So, so.
»Tja, also … ja, ähm …« rang der sonst so redegewandte und nicht auf den Mund gefallene Markus einen Moment um Worte. »Ist es denn okay, dass ich Sie fotografiere?«
Der Blick, den er erntete, sagte unmissverständlich: »Nein! Und wenn jetzt nicht gleich Schluss damit ist, scheppert’s.«
Markus versuchte es ein letztes Mal: »Wie lange sind Sie denn schon Fischer auf dem Schaalsee?«
Da guckte der Mann ihn an und sagte dann auf Plattdeutsch: »Junger Mann, ich bin gar kein Fischer. Ich bin Maurer.«
Markus und ich schauten verdutzt erst ihn, dann uns an, und brachen schließlich in schallendes Gelächter aus, denn der Typ sah einfach wie das Urbild eines Fischers aus. In der für diese Region charakteristischen Art – das heißt, ohne großes Drumherum schnell auf den Punkt zu kommen – erklärte er uns, dass er beim Fischfang lediglich aushelfe, immer nur freitags; das aber seit zehn Jahren.
»Wenn ihr Lust habt, fahrt doch mit raus«, schlug Jan Poggensee, der junge Fischer, vor, nachdem wir uns von dem alten Mann verabschiedet hatten, und begann aufzuzählen, was es hier so zu sehen gab. »Wir haben hier jede Menge Zwergmöwen. Die sind sehr selten. Und Kormorane. Die mag ich allerdings nicht so, die fressen mir die ganzen Fische weg …«
Markus und ich überlegten nicht lange und nahmen das Angebot an. Eine seltene Chance, denn den Schaalsee darf aus Gründen des Naturschutzes nur eine limitierte Anzahl registrierter Boote befahren.
Der alte Mercury-Motor tuckerte auf den glatt wie ein Spiegel im Morgenlicht liegenden See hinaus. Über den umliegenden Erlenbruchwäldern, den Feuchtwiesen und Mooren hingen letzte vereinzelte Nebelschwaden. Eine unglaubliche Stimmung.
»Auf was fischt du denn?«, fragte ich Jan.
»Es gibt hier große Hechte. Und ich stelle Aalreusen auf, aber der eigentliche Schatz des Sees sind die Edelmaränen.«
Die Edel- oder Große Maräne – wie die Kleine Maräne im Arendsee ein lachsartiger Fisch mit einer Fettflosse zwischen Rücken- und Schwanzflosse – stellt bestimmte Ansprüche ans Wasser und ist für diese Region eher selten. Hauptsächlich kommt sie nämlich im Bodensee und in anderen Seen des Alpenvorlands vor, wo sie allerdings nicht Maräne, sondern Felchen heißt. Aber auch in der Ostsee ist sie zu finden. Dort heißt sie ebenfalls nicht Maräne, sondern Schnäpel. Der Ostseeschnäpel landete früher im Katzenfutter, bevor er sich vor einigen Jahren zur Delikatesse mauserte. Das sehr würzige, aromatische Fleisch der Edelmaränen kann es mit jedem Seefisch aufnehmen, und geräuchert ist sie ein Gedicht. Ich behaupte sogar, dass sie Aal, den mit Abstand teuersten Räucherfisch, und Lachs in den Schatten stellt. Dummerweise schmecken Edelmaränen nicht nur uns Menschen, sondern sind auch die Lieblingsmahlzeit der Hechte. Hechte sind wie Wildschweine: Sie wissen genau, was gut und was weniger gut schmeckt.
Binnenfischerei ist ein harter Job, weshalb die Pachten für Berufsfischer, die vom Besatz oder Bestand eines Sees oder eines
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