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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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Typ II zusätzlich seine Maschinen und bei Typ III den gesamten landwirtschaftlichen Betrieb samt Vieh, Maschinen und Gebäuden in die Genossenschaft eingebracht. Auf Druck von Partei und Staat waren immer mehr LPG s des Typs I und II in den schließlich vorherrschenden Typ III umgewandelt worden. Zu DDR -Zeiten gab es in den LPG s mehr Bauern und andere Beschäftigte – Traktoristen, sogenannte Zootechniker (Facharbeiter), Schlosser und so weiter – als Arbeit und herrschte, um es vorsichtig auszudrücken, ein bisschen Schlendrian. Heute sind die Erträge der LPG s, die wieder zu privatlandwirtschaftlichen Betrieben wurden, deutlich höher, obwohl sie weit weniger Menschen beschäftigen. Das nur nebenbei.
    Irgendwie kommt man beim Anblick der modernen Erntemaschinen nicht umhin, den technischen Fortschritt zu bewundern. Zumindest geht es mir so, wenn ich daran denke, wie lange ein Bergbauer, der seinen steilen Hang noch heute notgedrungen mit der Sense mähen muss, für ein kleines Feld braucht, und hier sehe, wie diese hochmodernen Erntemaschinen, deren Mähtische Schnittbreiten von bis zu zehn Metern haben, über die Felder brettern. Die Mähdrescher fressen enorme Mengen Getreide in sichrein und spucken das Korn im Zwanzig-Minuten-Takt gleich auf große Kornwagen, die parallel nebenherfahren. Der Bauer oder eine Aushilfskraft sitzt nicht mehr schwitzend, mit verklebten Augen und viel Dreck in der Nase auf dem Traktor, sondern in einer klimatisierten Kabine, und die computergesteuerte und mit Kameras sowie Sensoren ausgestattete Maschine erkennt sogar, wenn irgendwo ein Stein liegt, und bleibt dann sofort stehen.
     
    Dreißig Jahre lag der wunderschöne Schaalsee im Dornröschenschlaf, weil die Grenze mitten hindurchging. Die 24 Quadratkilometer des Sees, der mit über siebzig Meter Tiefe der größte und tiefste Klarwassersee Norddeutschlands ist, und seine Ufer blieben daher weitgehend von Eingriffen des Menschen verschont. Fischen durften nur Genossen-Fischer, also nicht Fischer einer Genossenschaft, sondern solche mit Parteiabzeichen. Die westliche Seite war bereits 1960 zusammen mit dem Ratzeburger und vielen kleinen Seen zum Naturpark »Lauenburgische Seen« deklariert worden, und seit dem Jahr 2000 ist ein großes Schutzgebiet mit dem See im Zentrum als internationales UNESCO -Biosphärenreservat anerkannt.
    Die kleine Insel Stintenburg am Ostufer kurz vor dem Ort Lassahn hat eine besondere Geschichte. Sie wurde nämlich schon zu NS-Zeiten enteignet, da man der Familie von Bernstorff, der die Insel und das gleichnamige Gutshaus gehörten, staatsfeindliche Gesinnung unterstellte. Albrecht Graf von Bernstorff wurde noch Ende April 1945 von der Gestapo in Berlin erschossen. Während der Teilung Deutschlands nutzten die Grenztruppen der DDR das Gebäude als Kaserne. Mittlerweile ist die Stintenburginsel samt Herrenhaus wieder im Besitz der von Bernstorffs. Ein Bauer hingegen, der zu DDR -Zeiten enteignet wordenwar, hat nur einen Teil seiner ursprünglich dreißig Hektar – was als landwirtschaftliche Nutzfläche ein Vermögen ist – zurückbekommen, wie er mir erbost erzählte. Er konnte nicht verstehen, warum der »Graf zu Kohlen und Reibach« seine Besitztümer komplett wiederbekommen hat, er hingegen nicht. Das Dumme – oder vielmehr Ungerechte – ist, dass es darauf ankommt, wann die Enteignung stattgefunden hatte, und da hatte die Familie aus Mecklenburger Uradel schlichtweg die besseren Karten. Der Bauer vermutete jedoch auch: gute Beziehungen zu den entscheidenden Behörden.
Jan und der Seeadler
    Am nächsten Morgen liefen Markus, Cleo und ich in aller Frühe an einem alten hölzernen Bootsschuppen vorbei, an dem ein Fischer in seinem kleinen Boot saß und das Netz flickte. Richtig romantisch.
    »Oh, das ist aber ein schöner Hund«, sagte der Mann, als er Cleo entdeckte.
    Mit seinem Ohrring, der Baseballkappe und dem jungenhaften Gesicht sah der sehr junge Kerl zwar nicht gerade wie der typische Fischer aus, trotzdem wollte Markus, der Hobbyfotograf, der sehr gern – und im Übrigen irre schöne – Porträtaufnahmen macht, ihn fotografieren.
    Während ich mich mit dem Fischer unterhielt und Markus seine Kamera auspackte und nach einem kurzen Blick zum Himmel den Filter wechselte, kam ein alter Mann des Weges: Prinz-Heinrich-Schirmmütze auf, dickes Gesicht, schwerer Typ, große Hände, kompakt, in Ölzeug.
    »Guck mal«, stupste ich Markus an, der den Neuankömmling noch nicht bemerkt hatte,

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