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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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Holzfass vorzutäuschen.
    Ein Begriff, der in dem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist »Barrique«. Da heißt es dann, ein Wein sei im Barrique ausgebaut, im Barrique gereift und so weiter. Barrique steht heute synonym für Weinfass, ist ursprünglich aber nur eine Maßeinheit, nämlich genau 225 Liter.
    Ich hätte Herrn Krüger noch stundenlang zuhören können. Die Vor- und Nachteile von Holz und Stahl, von alter und neuer Eiche, von französischer, deutscher oder amerikanischer Eiche, von Trocknung des Holzes durch Lagerung und in Trockenräumen. Über den Ausbau von Weißwein in Holzfässern. Wie verschieden ein und dieselbe Traubenart schmeckt, je nachdem, ob sie in Frankreich, Kalifornien, Neuseeland oder Südafrika wächst, weil der Boden, das Klima, die Nähe zu einem Ozean und vieles mehr – das bereits erwähnte Terroir – das Aroma beeinflussen. Ein faszinierendes Thema.
    Da Eichenholz einen sehr hohen Abnutzungswiderstand hat und sehr elastisch ist, ist es auch außerhalb der Weinwelt ein gefragter Rohstoff: im Möbel- und Innenausbau, im Schiffsbau, bei Herstellern von Türen, Fenstern, Treppen, Zäunen und Eisenbahnschwellen, um nur einige zu nennen. Früher hat man, wenn man sehr hochwertiges Bauholz haben wollte, zum Beispiel für Fachwerkhäuser, Dachstühle und Dielenböden, die Eichenstämme zunächst nur grob behauen und dann für bis zu dreißig Jahre geflutet – in Wasser gelegt! Heutzutage, wo alles schnell, schnellgehen und effizient sein muss, unvorstellbar. Das Wasser entzog dem Holz die Säure und machte es besonders hart und widerstandsfähig. Oft war es sogar so, dass die riesigen Eichenbalken eines Haus einen Brand überstanden, der das gesamte Haus zerstörte. Die wurden dann abgekratzt und sauber geklopft, so wie es die Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Ziegelsteinen machten, und beim neuen Haus gleich wieder verwendet. Wenn man sich überlegt, wie simpel früher die Werkzeuge wie Hobel, Bohrer und Säge waren, dann muss die Verarbeitung dieses Holzes unglaublich zeit- und kraftaufwendig gewesen sein.
Die Dorfrepublik Rüterberg
    Die Orte entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, durch die ich bislang gekommen war, hatten mit Ausnahme von Mödlareuth, das durch die Grenze in zwei Hälften gerissen war, alle im Grunde dasselbe Schicksal geteilt, und so erzählten die Menschen, denen ich begegnete, immer sehr ähnliche Geschichten, so bewegend und erschütternd sie im Einzelnen auch gewesen sein mochten. Nun aber kamen Cleo und ich in ein Dorf, dessen Status während der Teilung Deutschlands an Kuriosität mit Sicherheit nicht zu überbieten war.
    Rüterberg, um das erst einmal voranzuschieben, liegt extrem schön. Es ist keine dieser typischen Siedlungen – Elbe, Deich, Hinterland, Dorf –, sondern liegt, wie der Name schon sagt, auf einer Anhöhe und bietet einen herrlichen Blick auf das Elbe-Urstromtal, auf das flache Niedersachsen im Südwesten, das leicht hügelig werdende Mecklenburg-Vorpommern im Nordosten. Für mich war es einer der schönsten Orte, die ich in Norddeutschland gesehenhabe, genauer gesagt, der zweitschönste; der schönste sollte noch folgen, aber das konnten Cleo und ich zu dem Zeitpunkt natürlich nicht wissen.
    »Cleo«, sagte ich daher, als wir in Rüterberg auf dem Hügel standen, »wenn wir mal nach Norddeutschland ziehen, dann bauen wir uns hier oben ein kleines Haus.«
    Rüterberg gehörte, da am Ostufer der Elbe gelegen, zur DDR , klar, und war seit 1952 durch einen Grenzzaun entlang dem Fluss gegen den kapitalistischen Westen geschützt. Nun gab es aber hüben und drüben gegensätzliche Meinungen, wo genau die Grenze verlief. Der Westen behauptete entschieden, dass das Ostufer, die DDR dagegen, dass die Flussmitte die Grenze bilde. 1966 gipfelte die Auseinandersetzung in der »Schlacht von Gorleben«, die damit begann, dass DDR -Grenzer ein bundesdeutsches Vermessungsschiff beschossen. Zum Glück endeten die »Kampfhandlungen« damit schon wieder, der Streit über den genauen Grenzverlauf allerdings ging nun in die heiße Phase. Vermutlich der Grund, warum man das Ganze als »Schlacht von Gorleben« bezeichnet. Der Osten musste in der Folge feststellen, dass er seine Kontrollen nur bis zum Ostufer der Elbe durchsetzen konnte, was ihm einen Riesenschreck einjagte. Und so sagte man sich: »Okay, lasst uns mal prophylaktisch einen weiteren antifaschistischen Schutzwall ein Stückchen landeinwärts ziehen.«
    Da Rüterberg an

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