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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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geweiteten Augen und am ganzen Körper zitternd an. Einen Moment lang dachte sie, er sterbe. Noch nie und bei niemandem hatte sie einen so greifbaren panischen Schrecken erlebt. Der Mann existierte nicht mehr, weder als Mensch noch auch nur als Lebewesen. Er war zu etwas Undefinierbarem geworden, die Angst hatte ihn beinahe verflüssigt. Ein paar Sekunden lang verschlug ihr sein Zustand die Sprache. Dann sagte sie: »Was in Gottes Namen ist hier los?«
    MacPhee klammerte sich am Küchentisch fest und öffnete den Mund. Seine Lippen zitterten, der Mund zuckte, er sabberte. Miss Midden zog einen Stuhl heran und schob MacPhee auf die Sitzfläche.
    »Ich sagte: Was ist hier los?« wiederholte sie grob. »Antworten Sie mir.«
    Der Major richtete seine gequälten Augen auf sie. »Es ist in meinem Zimmer«, stieß er hervor. »Was ist in Ihrem Zimmer?« Jetzt war sie sich ziemlich sicher, daß er sich im Delirium tremens befand. »Sagen Sie mir, was in Ihrem Zimmer ist!«
    »Ein Mann. Er ist ermordet worden. Überall ist Blut. Auf meinem Bett, auf dem Federbett, auf meiner Kleidung.«
    »Blödsinn«, fuhr Miss Midden ihn an. »Sie leiden an Wahnvorstellungen, weil Sie den vielen Whisky getrunken haben.«
    Der Major schüttelte den Kopf, oder sein Kopf wackelte unkontrolliert. Was von beidem, ließ sich unmöglich sagen. »Es ist wahr, es ist wahr. Er lag mit blutverschmiertem Gesicht unter meinem Bett. Er war nackt.«
    »Quatsch mit Soße. Sie leiden an akuter Alkoholvergiftung. Ein nackter Mann mit blutverschmiertem Gesicht unter Ihrem Bett? Dummes Zeug.«
    »Es stimmt, ich schwör’s. Er war da.«
    »Aber jetzt ist er nicht mehr da? Natürlich nicht. Weil er nie da war.«
    »Ich schwöre ...«
    Doch Miss Midden hatte von dieser Panikmache die Nase voll. »Stehen Sie auf«, sagte sie. »Stehen Sie auf und zeigen Sie ihn mir.«
    »Nein, das kann ich nicht.«
    »Stehen Sie auf, runter von dem Stuhl. Sie zeigen mir jetzt sofort diesen Mann.«
    Der Major versuchte aufzustehen, sackte aber wieder nach hinten. Miss Midden packte ihn am Jackettkragen und zerrte ihn auf die Füße. Doch er zitterte und wimmerte nur. »Sie widern mich an«, sagte sie und ließ los. Er sackte auf den Stuhl zurück. »Na schön, dann geh ich eben selber.« Als sie die Küche durchquerte, meldete sich der Major zu Wort.
    »Seien Sie um Gottes willen vorsichtig. Ich sage die Wahrheit. Er ist im Bad. Womöglich ist er gefährlich.«
    Miss Midden betrachtete ihn verächtlich und betrat den Flur. Durch das Eßzimmer ging sie zur Zimmertür des Majors und öffnete sie. Dann hielt sie inne. Blut. Auf dem Bett war Blut, Unmengen von Blut. Genau wie auf der Kleidung neben dem umgekippten Stuhl. Miss Midden spürte, wie sich Angst und Schrecken ihrer bemächtigten. Doch das hielt nicht lange an. Erneut durchquerte sie das Eßzimmer und betrat ihr kleines Büro, wo sie ihre doppelläufige Flinte aufbewahrte. Ganz gleich, was im Schlafzimmer geschehen war und wer sich im Bad befand – und was wußte sie denn, vielleicht waren dort ja mehr als eine Person –, er würde sich einem geladenen Gewehr gegenübersehen. Sie schob zwei Patronen in den Verschluß und klappte das Gewehr zu. Dann ging sie zurück. Beim Betreten des Eßzimmers sah sie das offene Fenster. Da sie nun auf einen möglichen Einbruch vorbereitet war, bemerkte sie den Dreck auf dem Fußboden unter dem Fenster. Sie begab sich zur Schlafzimmertür und sah sich gründlich um, ehe sie eintrat und dabei das Gewehr auf die Badezimmertür richtete. Zwei Meter weiter blieb sie stehen.
    »In Ordnung«, sagte sie mit lauter und erstaunlich fester Stimme. »Kommen Sie da raus. Kommen Sie raus. Ich stehe hier mit einem geladenen doppelläufigen Gewehr, öffnen Sie also die Tür und kommen Sie langsam heraus.« Nichts geschah. Miss Midden zögerte und lauschte aufmerksam. Sie hörte nichts. Sie ging ins Eßzimmer zurück und eilte dann weiter in die Küche.
    »Sie begleiten mich jetzt«, befahl sie MacPhee, und diesmal erhob er sich. Ihr Mut hatte ein wenig auf ihn abgefärbt, außerdem entfaltete das Gewehr eine eigene Überzeugungskraft. Als er das Zimmer durchquert hatte, führte sie ihn in das Schlafzimmer.
    »Was soll ich tun?« fragte er mit leiser zittriger Stimme.
    Miss Midden deutete in Richtung Badezimmertür.
    »Aufmachen. Und dann treten Sie beiseite«, befahl sie. »Aber ... aber ... angenommen ...«, fing er an. »Nehmen Sie gar nichts an. Öffnen Sie einfach die verdammte Tür und treten Sie

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