Ein Dicker Hund.
beiseite«, sagte sie. »Und wenn jemand so dumm ist und Widerstand leistet, kriegt er zwei Läufe ab«, fuhrt sie laut fort. »Und jetzt los.« Major MacPhee ging voran, drückte den Türgriff runter und schob. Die Tür flog auf, er huschte in eine Zimmerecke und hielt sich die Hände vor die Ohren. Miss Midden hatte die Flinte in Schulterhöhe angelegt und bewegte sich vorsichtig in Richtung Bad. Es war sehr klein, und nun sah sie auch die beiden aus der Dusche ragenden schmutzigen Füße. Sie trat zur Seite und spähte hinein, das Gewehr immer noch im Anschlag. In der Plastikduschwanne, den zerknitterten Vorhang neben sich, kauerte ein junger Mann. Sein Gesicht war mit getrocknetem Blut bedeckt, auch sein Oberkörper war blutig, und das aus der Dusche tropfende Wasser hatte sich eine helle Bahn über die blutige Haut gebahnt, die sich bis über den Nabel nach unten zog. Aber er lebte. Das verrieten ihr seine Augen, die sie unter der Maske aus getrocknetem Blut wild anglotzten. Lebendig und verängstigt, beinahe so verängstigt wie der Major. Anscheinend hatten alle Männer Angst. Doch dieser hier war verletzt und hatte verständlicherweise Angst.
»Wer sind Sie?« fragte sie und senkte die Waffe. Offenbar wirkte diese Frage beruhigend auf den jungen Mann. Vielleicht tauchte in seinen Augen sogar ein Funken Hoffnung auf. »Ich fragte: Wer sind Sie? Wie heißen Sie?«
»Timothy«, antworte Timothy Bright.
»Können Sie aufstehen? Wenn nicht, bleiben Sie einfach liegen, und ich rufe den Krankenwagen.« Wieder tauchte die Furcht in Timothy Brights Augen auf, aber er rappelte sich auf und stand nun nackt in der Dusche.
»Und jetzt kommen Sie hierher«, sagte sie. »Kommen Sie her und setzen Sie sich aufs Bett.«
Timothy Bright trat aus der Dusche und tat wie geheißen. In dem helleren Zimmer konnte ihn Miss Midden besser sehen. Er war ein ziemlich junger und gutgebauter Mann. Sie lehnte das Gewehr an die Ecke von MacPhees Bücherregal. Vor dem Mann, der sich Timothy nannte, hatte sie keine Angst. »Wie sind Sie in diesen Zustand geraten?« fragte sie und schob die verfilzten Haare beiseite, um seine Kopfwunde besser sehen zu können.
»Das weiß ich nicht.«
»Hat Sie jemand zusammengeschlagen? So muß es gewesen sein.« Die Wunde auf der Kopfhaut war doch nicht so schlimm, und Kopfwunden bluten immer heftig.
»Das weiß ich nicht.«
»Na schön, legen Sie sich hin, dann werfe ich mal einen Blick in Ihre Augen.« Sie schaute in jedes Auge, drehte dabei seinen Kopf zum Fenster. »Und Sie wissen nicht, wie das geschehen konnte?«
»Ich erinnere mich an gar nichts.«
»Gehirnerschütterung. Ich rufe einen Krankenwagen. Sie gehören ins Krankenhaus. Und die Polizei verständige ich auch.«
Sie zog das Federbett über ihn und wollte gerade in den Hausflur gehen, wo das Telefon stand, als Timothy Bright sie aufhielt. Plötzlich war ihm eingefallen, was der Schweinehack- Mann mit dem Rasiermesser gesagt hatte: »Eins dürfen Sie nie vergessen. Wenn Sie auch nur in die Nähe der Polizei kommen, auch nur an ’nem Bullenkloster vorbeilatschen oder das Telefon in die Hand nehmen, beispielsweise Ihr Mobiltelefon, dann bedeutet das für Sie nicht bloß Schweinehack. Dann hast du zuallererst mal keinen verfickten Schwanz zum Ficken mehr. Keine Eier, keinen Pimmel. Und das ist erst der Anfang. Tage später heißt’s dann Schweinehack für dich. Langsam. Gaaanz langsam. Krieg das jetzt in deinen dämlichen Kackkopf.«
Und das hatte Timothy Bright getan. Sogar jetzt, als er keine Ahnung hatte, was ihm zugestoßen war, wo er war oder wer diese Frau war, die ihn mit vorgehaltener doppelläufiger Flinte aus dem kleinen Badezimmer gescheucht hatte und behauptete, er habe womöglich eine Gehirnerschütterung und gehöre in ein Krankenhaus, war ihm diese furchtbare Drohung noch in so lebhafter Erinnerung wie in dem Moment, als der Mann sie ausgestoßen hatte. Und das Rasiermesser war zitternd dort steckengeblieben, wohin es der Mann mit den nach hinten gekämmten öligen schwarzen Haaren so fachmännisch geworfen hatte.
»Nein, keine Polizei, keine Polizei oder Krankenwagen«, stieß er hervor. »Mir geht’s gut. Wirklich. Gut.« Miss Midden drehte sich wieder zum Bett um und betrachtete ihn.
»Keine Polizei? Keine Polizei? Und Sie sagen, Ihnen geht’s gut? Das kann man wirklich nicht behaupten. Sind Sie auf der Flucht oder so was?« Aus ihrer Stimme war nur noch sehr wenig Mitgefühl herauszuhören. Timothy Bright
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