Ein Dicker Hund.
frischer Entschlußkraft erhoben. So wollte sie nicht weiterleben. Sie wollte sich ihre Wochenenden nicht mehr von einem erbärmlichen Schmarotzer wie MacPhee verderben lassen, denn genau das war er, nichts weiter als ein Schmarotzer ihrer Gastfreundschaft und Gutmütigkeit. Sie hatte genug von ihm. Doch ihre Entschlossenheit ging noch weiter. Sie war es endgültig leid, sich um Middenhall und die dort wohnenden Schmarotzer zu kümmern, denn auch sie waren nichts anderes als arrogante, egoistische, verwöhnte Schmarotzer, deren Arbeit immer Diener verrichtet hatten und die auch ihr – wäre sie nicht der Mensch gewesen, der sie nun mal war – die Rolle einer Dienerin aufgezwungen hätten. MacPhee (sie war nicht mehr willens, seinen falschen militärischen Rang zu verwenden. Er hieß MacPhee, und vermutlich war auch der Name falsch) hatte sich für diese Leute als nützlich erwiesen. Er war der vierte Mann beim Bridge gewesen, hatte sich immer wieder ihre Erzählungen über Afrika und das gute Leben angehört, das sie dort geführt hatten, und er hatte ihnen gern beigepflichtet, daß überall alles vor die Hunde gehe.
Miss Midden sah das anders. »Die gute alte Zeit«, deren gute alte Zeit, war die schlechte alte Zeit anderer Menschen gewesen, mit langen Arbeitszeiten, erbärmlichen Löhnen und der brutalen Annahme, daß die Angehörigen der Unterklasse, ob schwarz oder weiß, dazu da waren, verachtet und ausgegrenzt zu werden. Und sie schimpften. O Gott, wie diese Leute schimpften. Sie schimpften über das staatliche Gesundheitssystem, das sie während ihres verwöhnten, in exotischen Ländern verbrachten Lebens mit keinem Penny finanziert hatten. Der alte Mr. Lionel Midden war wütend gewesen, als er auf eine Hüftgelenkoperation warten mußte, und als er anschließend aus dem Krankenhaus in Tween zurückkam, beklagte er sich über das schlechte Essen und daß sich die Schwestern geweigert hatten, ihn mit »Sir« anzureden. Dabei war er nie mehr gewesen als ein sogenannter Personalanwerber für irgendeine Bergwerksgesellschaft in Sambia, das er immer noch beharrlich Nord-Rhodesien nannte.
Alle anderen waren genauso. Fast alle. Mrs. Laura Midden Rayter, die schon bei ihrer Heirat 1956 darauf bestanden hatte, ihren Mädchennamen beizubehalten, war anders. Sie half beim Spülen, saugte in ihrem eigenen Zimmer Staub und machte sich auch sonst im Haus nützlich, und Arthur Midden, der Zahnarzt in Hastings gewesen war und depressive Schuhe bekam, wenn er aus therapeutischen Gründen bizarre Holzkohlezeichnungen von offenen Mündern anfertigte, zahlte sogar für Kost und Logis.
»Ich falle dir nicht gern zur Last, meine Liebe«, sagte er, als er zum erstenmal nach Middenhall kam, »aber hier oben ist es friedlich, und seit Annies Tod brauche ich Gesellschaft. Als Zahnarzt schließt man kaum Freundschaften, und Hastings ist ziemlich heruntergekommen, wo sich dort jetzt so viele junge Leute Drogen spritzen. Ich habe nie gern Spritzen gegeben, und der Anblick von Injektionsnadeln schlägt mir immer noch aufs Gemüt.«
Nein, nicht alle waren Schmarotzer oder Jammerlappen, aber die meisten. Außerdem hatte Miss Midden Middenhall nie gemocht, schon als Kind nicht. Es war ein wirklich deprimierend häßliches Haus, und sie teilte die Abneigung ihres Vaters dagegen. Übrigens hatte sie sich nur einverstanden erklärt, es zu übernehmen, damit er sich in ein Altersheim zurückziehen konnte. Als sie jetzt über das holprige Grasland ging und den feuchten Stellen auswich, wo das Riedgras wuchs, wurde ihr klar, daß es auch für sie an der Zeit war, sich zurückzuziehen. Sie würde ihren Vetter Lennox aufsuchen, der nach Onkel Leonard, seinem Vater, Rechtsanwalt der Familie geworden war, und ihm mitteilen, daß sie nicht mehr gewillt war, die Verantwortung für das Anwesen zu tragen. Er mußte halt jemand anderes finden. Das Bauernhaus wollte sie behalten, es eventuell an Sommergäste vermieten, um etwas Geld zu verdienen, aber nicht mehr dort wohnen. Sie würde wegziehen und sich eine Arbeit suchen. Ein wenig Geld hatte sie beiseite gelegt, nicht genug, um davon leben zu können, aber genug, um sich ein neues Leben aufzubauen. Sobald dieser Entschluß gefaßt, diese Entscheidung getroffen war, betrat sie den Hof und wappnete sich innerlich, um MacPhee den Marschbefehl zu geben. Doch als sie eintrat und ihn da stehen sah, wußte sie, daß ihn etwas viel Schlimmeres belastete als ein Kater. Er glotzte sie aus vor Schreck
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