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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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schüttelte den Kopf. Aus seiner Ecke betrachtete ihn der Major genau. Er war ein Experte, was verkommene Kleinkriminelle und deren Ängste anging. Aus dem hier wurde er überhaupt nicht schlau. Snob. Schrecklich vornehm. Kein gewöhnlicher Wirtshausrüpel. Dieser hier kam aus gutem Haus. Sogar nackt und verdreckt wie er war, strahlte er eine Selbstsicherheit aus, die der Major nie im Leben erlangen würde. Neid schärfte seine Menschenkenntnis, den gesellschaftlichen Durchblick, der bei dem Versuch, im reißenden Strudel seines Selbstmitleids den Kopf über Wasser zu halten, seine Hauptwaffe gewesen war. Mit diesem Burschen hier stimmte etwas nicht, aber was, wußte der Major nicht.
    Schwul war er auch nicht. Das wäre dem Major sofort aufgefallen. Aber irgend etwas stimmt nicht. Miss Midden ging in das Zimmer zurück und griff zum Gewehr, das sie an das Bücherregal gelehnt hatte. Über das Bett gebeugt, fragte sie: »Was ist eigentlich passiert? Sie sagen’s mir besser, oder ich rufe die Polizei. Spuck’s aus, Jungchen. Was haben Sie im Schilde geführt?«
    Timothy Bright suchte verzweifelt nach einer plausiblen Erklärung. Er wußte nicht, was er im Schilde geführt hatte. Vielleicht hatte er wirklich eine Gehirnerschütterung. Alle seine Erinnerungen blieben bruchstückhaft. Irgendwie spielte eine Reise nach Spanien eine Rolle, die etwas mit Onkel Benderby zu tun hatte. Er war auf seinem Motorrad gefahren. »Ich hatte ein Motorrad«, sagte er und kramte in seinem Gedächtnis.
    »Nur weiter. Sie hatten ein Motorrad. Was ist damit geschehen?«
    Timothy Bright hatte keine Ahnung.
    »Wie sind Sie dann hier hereingekommen?« wollte Miss Midden wissen.
    Auch darauf konnte er ihr keine Antwort geben. »Sie wissen es vielleicht nicht, aber ich finde es heraus. Ich oder die Polizei. Sie haben die Wahl.«
    Timothy Bright lag auf dem Bett und wimmerte. »Männer«, sagte Miss Midden. »Erbärmlich.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer. Im Eßzimmer betrachtete sie den Dreck auf dem Fußboden und dann das offene Fenster. Sie ging zur Haustür, betrat den Kies und sah sich das Blumenbeet unter dem Fenster an. Dort waren Fußabdrücke zu erkennen, und ein paar vom Major gepflanzte weiße Petunien waren von irgendwelchen Füßen zertreten worden. Miss Midden ging ins Haus zurück und probierte es im Wohnzimmer auf der anderen Seite des Flurs. Nichts ließ darauf schließen, daß jemand dort gewesen wäre. Das gleiche galt für den Hausflur. Sie ging die Treppe hoch und sah in jedes Zimmer, fand aber keinerlei Anzeichen, daß etwas durcheinandergebracht worden wäre. Und es fanden sich auch nirgendwo Kleider. Ihr Büro war genauso wie immer. Die Küche auch. Keine Spur von Kleidungsstücken. Sie ging in den Hinterhof und langsam um das Haus herum, schaute sogar im Kuhstall und im Schuppen nach, fand aber weder Jeans noch Schuhe oder Hemd. Alles war genauso, wie sie es verlassen hatte. Ratlos ging sie zurück ins Haus und wollte gerade das Eßzimmer betreten, als sie Stimmen hörte. Sie blieb stehen. Der Major stellte Fragen. Miss Midden schlich ins Zimmer und lauschte.

16
    Das war ein ganz anderer Major als der, der vorhin noch in der Ecke gekauert hatte. Und was er tat, war äußerst nützlich. Er unterhielt sich verständnisvoll mit dem jungen Mann. MacPhees Groll, ebenso oberflächlich wie verkommen, hatte sich bald gelegt, und da die akute Gefahr nun vorbei war, versuchte er, aus der Situation irgendwelche Vorteile zu ziehen. »Man hat Ihnen wirklich übel mitgespielt, deshalb können Sie sich nicht erinnern«, sagte er. »Aber es fällt Ihnen wieder ein. Ist erst zwei Tage her, da fuhr ich nichts Böses ahnend mit dem Fahrrad meines Weges, als plötzlich völlig unerwartet ein Traktor auf die Strecke einbog. Ich mußte mit sechs Stichen genäht werden, und nicht mal daran konnte ich mich erinnern. Wahrscheinlich sind Sie von Ihrem Motorrad gefallen ... Hoffentlich hatten Sie einen Helm auf. Sonst hätten Sie dabei sterben können. Irgendwas muß Ihnen in die Quere gekommen sein. Motorräder sind eine gefährliche Sache. Was haben Sie denn für eins?«
    »Eine Suzuki.«
    »Ist das ein sehr schnelles?«
    »Ich bin schon zweihundertdreißig damit gefahren«, sagte Timothy.
    »O je, wie konnten Sie nur? Das ist ja schließlich das Doppelte der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Da hatten Sie aber Glück, daß die Polizei Sie nicht geblitzt hat. Wollen Sie deshalb nicht, daß wir die Polizei

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