Ein Dicker Hund.
weiß? Also ehrlich, bist du naiv. Bei dem Heidenlärm? Sie hat nichts gesagt, weil sie zu taktvoll ist. Sie hat bloß geglaubt, du prügelst mich. Auch Mrs. Thouless hat das Blut gesehen.« Müde setzte sich der Chief Constable im Bett auf. Auf solche Neuigkeiten hätte er gern verzichtet.
»Hat sie dir das gesagt?« stammelte er. »Nicht direkt, aber sie hat gefragt, was sie mit dem blutbefleckten Teppich in deinem Arbeitszimmer machen soll. Und du mußtest natürlich eine blutige Nachttischlampe neben dem Schreibtisch stehenlassen.«
»Großer Gott«, sagte der Chief Constable. »Ein wahres Wunder, daß sie die Story nicht schon an die ›Sun‹ verkauft hat.«
»Da sie weiter nichts gesehen hat, weiß sie nicht recht, was vorgefallen ist.«
»Da ist sie hier nicht die einzige«, sagte der Chief Constable und glitt unglücklich unter die Bettdecken zurück. Er fühlte sich sterbenselend.
Genau wie Timothy Bright. Nachdem er eine Weile unter dem Bett gelegen, auf Geräusche gehorcht und keine gehört hatte, kroch er langsam und unbeholfen hervor und versuchte sich aufzurappeln. Fast wäre es ihm gelungen. Halb stand er schon, als er wieder umfiel und mit dem Kopf gegen die Kante des Stuhls schlug, auf den der Major seine gefalteten Kleidungsstücke gelegt hatte. Der Stuhl kippte um, und Timothy Brights Kopfwunde begann wieder zu bluten, diesmal auf das Tweedjackett des Majors und dessen schicke kleine Weste. Ein Weilchen blieb Timothy Bright liegen, um zu überlegen, wo er war oder warum er nackt war, fror und Hunger hatte und warum er im Mund einen Geschmack wie ... Er wußte nicht, was für einen Geschmack er im Mund hatte. Erneut versuchte er sich aufzurappeln, diesmal klammerte er sich ans Bett, ließ sich darauf fallen und blieb liegen. Allmählich konnte er klarer denken. Damit ihm wärmer wurde, zog er das Federbett über sich und fühlte sich ein wenig besser. Nur ein wenig. Ein furchtbares Durstgefühl brachte ihn dazu, sich wieder hinzustellen. Das gelang, und nun stand er leicht schwankend da und horchte. Im Haus war es still. Nichts bewegte sich. Die Sonne schien durch das Fenster, und im Freien sah er ein Stück Gemüsegarten mit dicken Bohnen und einer Reihe Stangen für Erbsen. Dahinter einen hölzernen Schuppen, ein Wäldchen mit hohen Bäumen und eine Feldsteinmauer, hinter der noch mehr Bäume standen. Es gab kein Zeichen von Leben, sah man von einer Drossel ab, die auf einem Betonweg ein Schneckenhaus zertrümmerte. Eine Katze schlich um die Erbsenstangen und erstarrte, die Augen auf die Drossel gerichtet. Dann machte sie kehrt und schlich äußerst verstohlen um die dicken Bohnen vorwärts. Einen Augenblick lang war Timothy Bright von dem sich abzeichnenden Drama wie gebannt, doch dann flog die Drossel weg, und die Katze trollte sich. Jetzt erst fiel ihm das Blut auf dem Kopfkissen und dem Federbett auf. Es war frisches Blut. Er blutete. O Gott, er mußte irgendwas unternehmen. Die Badezimmertür stand offen, und er ging ins Bad, griff sich ein Handtuch und wischte sich damit über den Kopf. Jetzt war eine Menge Blut an dem Handtuch, und als er sich im Spiegel über dem Waschbecken betrachtete, erkannte er sich selbst nicht wieder. Sein Gesicht war von getrocknetem Blut bedeckt, die Haare davon verklebt, sein Oberkörper zerkratzt und von schlimmen blauen Flecken übersät. Urplötzlich sah er wieder das Bild von dem enthäuteten Schwein vor sich, und er torkelte rückwärts. Das Badezimmer des Majors war nicht sonderlich groß, es bestand lediglich aus einer Duschkabine mit einem kleinen Abstellbrett unter dem Rasierspiegel, wo er seine Flasche mit Imperial Russian Eau de Cologne aufbewahrte (wenigstens die Flasche war echt, die hatte er einem reichen Freund gemopst, aber den Inhalt schon vor geraumer Zeit verbraucht und mit 4711 nachgefüllt). Timothy torkelte rückwärts in den Duschvorhang aus Plastik, an den der Major mühsam ein recht hübsches Stück Blumenbordüre von Laura Ashley genäht hatte, und als Timothy stolperte, klammerte er sich an das Regalbrett. Die Flasche Imperial Russian Eau de Cologne fiel in das Waschbecken und zerbrach. Ihr folgten der Rasierpinsel, das Rasiermesser des Majors, das er ganz vorsichtig benutzte, um seine Haare zu schneiden, bevor er sie färbte, seine Zahnbürste und die Schere, die er für seinen Schnurrbart brauchte. Doch was Timothy Bright fertigmachte, war das Rasiermesser. Es erinnerte ihn an eine Szene aus einem Alptraum, aus dem Alptraum, der
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