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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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von Schweinebratenduft umhüllt, erzählte Timothy Bright seine Geschichte. Danach war Miss Midden zufrieden. Sie tischte das Schweinefleisch und die Kruste, die Bratkartoffeln und die dicken Bohnen, die Mohren und das Apfelmus auf und sah ihm beim Essen zu, während sie überlegte, was zu tun war. Wenigstens hatte er gute Tischmanieren, und was sie gehört hatte, klang irgendwie wahr. Er war genau die Sorte eingebildeter junger Narr, der mit Rauschgifthändlern und Spielern Ärger bekam. Besonders beeindruckt hatte sie sein Eingeständnis, daß er Tante Boskies Aktien gestohlen hatte.
    »Wo wohnt denn Ihre Tante?« fragte sie. »Sie hat ein Haus in Knightsbridge, lebt aber meist in einem Pflegeheim. Schließlich ist sie ein- oder zweiundneunzig.«
    Als sich Miss Midden nach ihrer genauen Adresse erkundigt hatte, wirkte Timothy Bright beunruhigt. »Warum wollen Sie das wissen?« erkundigte er sich. Er war mittlerweile beim gedeckten Apfelkuchen angelangt. »Sie wollen sich doch wohl nicht mit ihr in Verbindung setzen? Ehrlich, umbringen würde sie mich, wenn sie’s wüßte. Sie ist eine echt boshafte alte Frau.«
    »Ich will lediglich wissen, ob sie existiert, Ihre Tante«, erklärte Miss Midden und zwang ihn, ihr sowohl diese Adresse als auch die seiner Eltern und seines Onkels Fergus zu nennen. Timothy Bright verstand nicht und geriet in Panik, als sie zum Telefon im Hausflur ging.
    »Herrje, benutzen Sie doch Ihr offenbar winziges Hirn«, forderte sie ihn auf, als er ihr in den Flur folgte, das Handtuch um die Taille gewickelt. »Ich rufe nur die Telefonauskunft an. Gehen Sie zurück und essen Sie auf.«
    Doch er blieb neben ihr stehen, während sie wählte und bestätigt bekam, daß unter der von im angegebenen Adresse eine Miss Bright wohnte. Und ein Mr. Fergus Bright in Drumstruthie.
    »Das wäre ja wohl geklärt«, sagte sie, als sie den Hörer auflegte. »Jetzt bekommen Sie Ihren Kaffee.« Eine halbe Stunde später ging Timothy Bright in das alte Kinderzimmer, unter dem Arm ein Buch, das ihm Major MacPhee geliehen hatte. Es war von Ruth Rendell und hieß passenderweise »Schuld verjährt nicht«. Unten saß Miss Midden über ihrem Abendessen und dachte scharf nach. Ihr Mitgefühl für Master Bright hielt sich in engen Grenzen, aber immerhin war er so vernünftig gewesen, ihr die Wahrheit zu sagen. Sie würde etwas unternehmen müssen. In seiner Wohnung mit Blick auf den Hyde Park legte Sir Edward Gillmott-Gwyre mit einem tiefen nachdenklichen Seufzer den Hörer auf. Seine Tochter meldete sich nicht oft bei ihm, und dafür war er dankbar. Doch jetzt hatte diese vermaledeite Person angerufen, um ihm mitzuteilen, daß sie vorbeikommen und ihm etwas schrecklich Wichtiges mitteilen wolle.
    »Warum kannst du mir das nicht telefonisch mitteilen, meine Liebe?« hatte er fast wehleidig gefragt. »O nein, dafür ist es viel zu wichtig, Daddy«, hatte sie geblökt. »Und außerdem würde es dir nicht gefallen.« Sir Edward rutschte mit seinem massigen Körper auf dem Stühlchen herum und konnte sich das durchaus vorstellen. An seiner Tochter hatte ihm noch nie etwas gefallen. Zum einen erinnerte sie ihn zu sehr an seine Frau, und zum anderen war sie das einzige ihm bekannte Mädchen, das sich vom Babyfett des Teenageralters nahtlos in die Phase der übereinandergestapelten Rettungsreifen der mittleren Jahre weiterentwickelt hatte, ohne daß dazwischen auch nur ein Minimum an geschmeidiger Anmut festzustellen gewesen wäre. Was ihren Geist – falls man ihn so nennen konnte – betraf, war auch der so unbedarft geblieben, wie ihn etliche teure Koedukationsschulen und ein Schweizer Internat nur machen konnten. Für ihren sie alles andere als abgöttisch liebenden Vater hatte die dreiundzwanzigjährige Vy Carteret Purbrett Gillmott-Gwyre die geballte körperliche und geistige Attraktivität einer bleiverseuchten Blutwurst. Er war mehr als begeistert gewesen, als Arnold Gonders, damals noch einfacher Superintendent, um ihre Hand angehalten hatte. Und wie es damals hieß, ihr Vater hatte die Braut weniger zum Altar geführt, als sie mit Freuden weggegeben. Ihrem tumben Gewinsel am Telefon nach zu urteilen, befand sie sich nun womöglich in ernsten Schwierigkeiten. Um sich auf ihren Besuch vorzubereiten, genehmigte er sich zwei große Brandys und versteckte die Ginflaschen. Verdammt wollte er sein, wenn er sie abfüllen würde. Und Alkoholmangel war die beste Gewähr dafür, daß sie schneller wieder ging. Elisha Beconn

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