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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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»Es klingt alles so absolut widerwärtig. Aber wenn du meine Aufmerksamkeit darauf lenkst ...«
    Lady Vy unternahm noch einen letzten Versuch. »Daddy, du mußt etwas tun. Das darf man Arnold nicht durchgehen lassen. Man muß ihn aufhalten.« Sir Edward zuckte mit seinen fleischigen Schultern und schwieg. Er hatte oft bemerkt, daß man die Konzentrationsspanne seiner Tochter am besten überstrapazierte, weil sie dann vergaß, was sie gesagt hatte. Doch diesmal klappte es nicht.
    »Er bringt mich um, wenn er herausfindet, daß ich es dir erzählt habe«, fuhr sie fort.
    Sir Edward betrachtete sie hoffnungsvoll.
    »Das wäre eine Möglichkeit, natürlich«, sagte er prompt. Doch dieses eine Mal hielt sich seine Tochter nicht mehr bei der Kleinkindersprache auf, die ihm ihrer Meinung nach so gefiel.
    »Er wird auch deinen Namen in den Schmutz ziehen. Er hat gesagt, er bringt die ganze Familie in die Boulevardblätter, so wie bei Fergies Vater und Prinz Charles, und das kann er auch, wirklich. Er hat einige schreckliche Dinge getan, und man wird ihn festnehmen, darum will er uns benutzen, um seine Haut zu retten. Du begreifst das nicht. Und ich habe ihn endgültig verlassen. Und er will Blut sehen.«
    Alle Worte, die Tantchen Bea ihr eingetrichtert hatte, sprudelten aus ihr heraus, und zum erstenmal in seinem Leben nahm Sir Edward von seiner Tochter Notiz. Besonders entsetzte ihn, daß Major Fergusons Name fiel, und daß Blut erwähnt wurde, war ihm gar nicht recht. Ja, er war ernsthaft beunruhigt. Er hatte sich nie groß mit Sir Arnold befaßt, mußte aber zugeben, daß der Mann nicht so idiotisch sein konnte, wie er aussah. Seiner Ansicht nach war es eine Schande, daß man eine solche Kreatur zum Chief Constable ernannte, und für ihn war diese Ernennung ein weiteres Beispiel für administrative Dekadenz sowie der Unfähigkeit der Männer in Whitehall gewesen, in gesellschaftlich relevanten Bereichen realitätsnah zu entscheiden. Besagte Dekadenz reichte mittlerweile bis in höchste Kreise, wie man der Aufdeckung jener privaten Skandälchen entnehmen konnte, die es zwar immer gegeben hatte, die aber aus völlig einsichtigen Gründen der Staatsräson nicht vor Krethi und Plethi breitgetreten worden waren. All dies hatte sich geändert, und selbst die königliche Familie war vor öffentlicher Bloßstellung und der Zerstörung jener für die politische Stabilität so unabdingbaren Aura nicht mehr gefeit. Sir Edward Gillmott-Gwyre kannte seinen Burke, gab sich aber auch keinerlei Illusionen hin, was die Loyalität all seiner Freunde betraf, falls er erst einmal am Pranger stand. Die Meute würde sozusagen auf dem Absatz kehrtmachen und ihn zerfleischen. Er führte diese Tendenz auf die Notwendigkeit zurück, das Ansteckende der Schande so schnell wie möglich loszuwerden. Das war genauso wichtig wie das schnelle Eingreifen von Hyänen, die verhinderten, daß das Aas in der Sonne verfaulte. Andererseits beabsichtigte er nicht, besagtes Aas zu werden, und diesmal war die Moral auf seiner Seite. Er wurde, wenn man Vy glauben konnte, von einem Mann bedroht, der so schamlos korrupt war wie kein anderer Polizist, den Mrs. Thatcher je befördert und protegiert hatte. Man mußte das Gleichgewicht wiederherstellen, indem man mit Hilfe der Vergangenheit die Gegenwart säuberte. Mit solch zündenden und weitgehend hohlen Phrasen hatte Sir Edward in der Vergangenheit die Wähler übertölpelt. Er sah nicht ein, weshalb er seine rhetorischen Fähigkeiten nicht auch einmal zu privaten Zwecken nutzen sollte.
    »Nun denn, meine Liebe«, sagte er zu seiner Tochter. »Ich möchte, daß du schriftlich festhältst, also aufschreibst, was du mir soeben erzählt hast.« Er zögerte kurz. Mit der Bitte, etwas auch nur annähernd Schlüssiges aufzuschreiben, ja überhaupt etwas aufzuschreiben, stellte er die arme Frau vor eine unlösbare Aufgabe. »Hast du jemanden, der dir beim Aufschreiben helfen kann? Wo wohnst du zur Zeit?«
    »Bei Tantchen Bea, Daddy«, antwortete Vy, die jetzt viel glücklicher war, da sich das Unwetter gelegt zu haben schien. Erneut zögerte Sir Edward.
    »Tantchen Bea?« sagte er, und wieder überlief ihn ein Schauer des Entsetzens. Mitte der siebziger Jahre hatte er einmal an einem parlamentarischen Informationsbesuch in der Äußeren Mongolei teilgenommen und gezwungenermaßen ein Zelt mit dem sogenannten Tantchen Bea geteilt; welche Faszination Riemen und Leder als erotische Stimulantien auf sie ausübten, hatte ihn

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