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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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alljährlich einige Kinder nach Middenhall. Diese Praxis stammte noch aus der Nachkriegszeit, als der Dekan des Porterhouse-College mit Lesegruppen hinauf ins Hochland gefahren und samt Brigadegeneral Turnbird, auch ein ehemaliger Porterhouse-Student und sehr offensiver Christ, im Carryclogs House abgestiegen war. Die jungen Leute hatte man ursprünglich in Rundzelten auf dem Gelände von Carryclogs untergebracht, wo sie sich – vom sporadischen Absingen von Kirchenliedern und gelegentlichen Bibellesungen durch die Generalstochter Phoebe abgesehen – auf dem Anwesen und in dem damals ziemlich flachen Fluß Idd nach Herzenslust austoben konnten.
    »Es schadet unseren Stadtkindern nichts, wenn sie einen Blick auf Arkadien erhaschen«, hatte der General einmal einer Abordnung benachbarter Bauern erklärt, die sich beschwert hatten, daß Schafe in panischer Angst über Mauern geflohen waren, Kühe heimtückischen Katapultangriffen ausgesetzt wurden und Verstecken spielende Knaben etliche Heuhaufen in Brand gesetzt hatten. Die Anspielung auf Arkadien hatten die Bauern nicht verstanden, und falls doch, wäre es ihnen scheißegal gewesen. Am Ende setzten sich ihre Auffassung und die Pacht, die sie zahlten, durch. Schon vor dem Tod des Generals war die Mission nach Middenhall gezogen, das ausgesprochen abgelegen lag und so den Bauern die früheren Verwüstungen erspart blieben. Hinter den Mauern des Anwesens erkundete die gemischtgeschlechtliche und gemischtreligiöse Gruppe, die sich teilweise aus islamischen Familien rekrutierte und folglich nicht von Miss Phoebes Lesungen profitierte, vierzehn Tage lang die Wälder und wechselseitig ihre Körper, bevor sie wieder nach Hause in den mittlerweile weitgehend von der Mittelklasse bewohnten Londoner Bezirk der Isle of Dogs zurückfuhren, wo die Porterhouse-Mission immer noch tätig war. Hätte übrigens Miss Midden nicht darauf bestanden – was auch mit den Neigungen des Dekans in Einklang stand –, daß man das Kontingent alljährlich den Trupp begleitender Porterhouse-Studenten verdoppelte, um mit den Kindern fertig werden zu können, hätte der alljährliche Besuch wohl kaum fortgesetzt werden können. In den vergangenen beiden Sommern waren ältere Bewohner der Hall mindestens ein dutzendmal nach dem Essen in ihre Zimmer gekommen, wo ihre Habseligkeiten durchstöbert und Sachen entwendet waren, und bei einer schrecklichen Gelegenheit war ein Vierzehnjähriger mit einem höchst widernatürlichen Angebot an Mrs. Louisa Midden herangetreten. Mr. Joseph Midden, ihr Gatte und renommierter Gynäkologe im Ruhestand, war sowohl von dem eigentlichen Angebot als auch davon, daß seine Frau kurz gezögert hatte, bevor sie es ausschlug, so entsetzt gewesen, daß man Dr. Mortimer hatte holen müssen, der sich seiner Arrhythmie annahm. Als der mit den Kindern beladene Bus diesmal die Auffahrt hinunterfuhr, überkam Miss Midden eine seltsame Unruhe. Die Anwesenheit so vieler neugieriger junger Gemüter auf dem Anwesen stellte eine Gefahr dar, die sie hätte vorhersehen müssen. Wegen des Luftschutzbunkers im ummauerten Garten mußte sie sich etwas einfallen lassen. Timothy Brights Angelegenheiten hatten sie so in Anspruch genommen, daß sie die Mission völlig vergessen hatte. Während auf der anderen Seite des Sees die Zelte aufgebaut wurden, versah Miss Midden sämtliche Türen in den Mauern des Küchengartens mit Vorhängeschlössern und faßte den Entschluß, noch einmal zu verreisen. Im Wohnzimmer führte sie ein langes Zwiegespräch mit Timothy Bright und telefonierte kurz. Dann fuhr sie zum Busbahnhof und reiste erneut gen Süden. Es war Zeit zu handeln.
    Dieser Ansicht war auch Inspector Rascombe. Daß ein Bus mit dreißig Kindern eingetroffen war, ließ auf eine so gewaltige pädophile Orgie schließen, daß er den Bericht des Überwachungsteams auf der Straße nach Middenhall kaum glauben konnte.
    »Dreißig? Dreißig Kinder sowie mehrere junge Männer und Frauen? In einem Bus? Großer Gott, das sieht ja aus, als ... Keine Ahnung, wonach es aussieht. Aber das ist jedenfalls das größte Ding, ganz ohne Zweifel. Jungs, ich glaube, diesmal haben wir sie.«
    Im Anschluß an diese Information bat der Inspector den Chief Constable persönlich um die sofortige Genehmigung, die Ermittlung mit höchster Priorität durchführen zu dürfen. Sir Arnold hörte ihn kaum. Er las gerade den Brief eines Anwalts, der ihn davon in Kenntnis setzte, daß seine Frau beabsichtige, die Scheidung

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