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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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gewesen, daß ihn letzte Nacht eine durchgedrehte Ernestine geweckt hatte, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen, Bletchley habe seinen Selbstmordversuch vermasselt und sich lediglich mit einer sehr großen Startpistole den Großteil seiner Zähne weggeschossen.
    »Der verdammte Narr muß verrückt sein«, hatte er zu ihr gesagt. »Warum hat er kein Gewehr genommen und es ordentlich gemacht.«
    »Das hat er wohl versucht, aber seinen großen Zeh nicht auf den Abzug bekommen. Es ist wirklich gräßlich. Er sieht ganz und gar nicht gut aus. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Besorg ihm einen ordentlichen Revolver«, empfahl der Richter. »Ein Fünfundvierziger müßte reichen, sogar bei einem so dicken Schädel wie seinem.«
    Jetzt richtete er seinen Blick, eben den furchterregenden Blick, der etliche tausend der übelsten Verbrecher Englands in Angst und Schrecken versetzt hatte, auf Miss Midden. Er hielt sie für eine ganz gewöhnliche Frau. Da irrte er sich. »Setzen Sie sich doch«, sagte Miss Midden.
    »Was?« brach es aus dem Richter heraus. Es war weniger eine Frage als eine Explosion. Vor der Tür fing der Ex-Polizist an zu zittern und überlegte, ob er ins Zimmer stürzen sollte oder nicht. Miss Midden setzte noch einen drauf.
    »Ich sagte: ›Setzen Sie sich doch‹«, wiederholte sie. »Und glotzen Sie mich nicht so an. Sie tun sich sonst noch etwas an.« Der Richter setzte sich. Noch nie in seinem langen und häufig turbulenten Leben war er von einer fremden Frau in seinem eigenen Haus aufgefordert worden, sich zu setzen. Und sie hatte recht, daß er sich etwas antat. Sein Herz vollführte eigenartige Kapriolen. Es raste und schlug unregelmäßig. »Also«, fuhr sie fort, als er es sich ein bißchen weniger unbequem gemacht hatte. »Ich muß Ihnen eine Frage stellen.« Sie brach ab. Richter Benderby Bright gab äußerst eigenartige Geräusche von sich. Es klang, als ersticke er. Auch mit seiner Gesichtsfarbe stimmte etwas nicht.
    »Ich möchte wissen, ob Sie Ihren Neffen Timothy wiedersehen wollen.«
    Der Richter glotzte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Ob er diesen widerwärtigen kleinen Scheißer wiedersehen wollte? Die Frau mußte wahnsinnig sein. Umbringen würde er den Mistkerl. Das tat er bestimmt, sollte ihm dieser verfluchte Schweinehund, der Boskies Aktien gestohlen hatte, je wieder vor die Augen kommen. Ihn wiedersehen?
    »Tja, ich merke schon, daß Sie es nicht wollen«, stellte Miss Midden fest. »Das ist so klar wie Kloßbrühe.« Kloßbrühe war nicht klar, jedenfalls hatte er noch nie klare Kloßbrühe gesehen. Klar war aber, daß an seinen Schläfen die Zornesadern schwollen.
    »Wer zum Teufel sind Sie?« brüllte er. »Sie kommen in mein Haus, verbreiten irgendwelchen absurden Blödsinn über die Aktien meiner Schwester und ...«
    »Ach, benehmen Sie sich doch nicht wie ein Idiot«, schrie Miss Midden zurück. »Werfen Sie lieber einen Blick in die Reisetasche.«
    Einen Moment lang, einen schrecklichen und nicht enden wollenden Moment lang überlegte der Richter, ob er sie schlagen sollte. Er hatte noch nie eine Frau geschlagen, aber es gab immer ein erstes Mal, und im Wohnzimmer an einem Samstagmorgen um neun, bevor er auch nur eine einzige Tasse Tee getrunken hatte, kam es ihm wie eine passende Gelegenheit vor. Mit bewundernswerter Beherrschung hielt er sich zurück. »Na los«, sagte Miss Midden. »Sitzen Sie nicht einfach herum wie ein läufiger Totempfahl. Sperren Sie Ihre Glotzerchen auf.« Richter Benderby Bright hörte nicht recht. Anders war das nicht zu erklären. In seinem ganzen Leben war noch niemand, wirklich niemand, so gräßlich mit ihm umgesprungen. Aber er tat wie geheißen und spähte wütend in die Tasche. Er spähte sehr lange, dann sah er auf.
    »Woher ... woher in drei Teufels Namen haben Sie ...«, fing er an, doch schon hatte sich Miss Midden erhoben. Einen Gesichtsausdruck wie den ihren hatte er nicht mehr gesehen, seit seine Mutter ihn dabei ertappt hatte, wie er eines Spätnachmittags in der Speisekammer das Zimmermädchen befummelt hatte. Er hatte ihn damals verunsichert, und er verunsicherte ihn jetzt.
    »So reden Sie nicht mit mir. Ich bin nicht irgendein armer Tropf auf der Anklagebank oder ein Anwalt, den Sie beschimpfen können«, sagte sie. »Also, sagt Ihnen der Name Llafranc etwas? Dort haben Sie im Yachthafen einen Liegeplatz für Ihre Yacht, die Lex Britannicus.«
    Es war zwar eigentlich keine Frage, doch trotzdem nickte der Richter

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