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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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hell aufzulachen, nickte er stumm. Nickte wie eine Puppe, die jemand bewegt. Er nickte, anstatt die sofortige Verhaftung Anna Geminis zu verlangen und dabei auch auf ihre mögliche Verwicklung in die Ermordung Einar Gudes hinzuweisen.
    Janota sah hinüber zu Cheng. Cheng bemerkte den Blick und vollzog eine winzige verneinende Geste, um zu bekunden, es nicht als seine Pflicht anzusehen, Anna Gemini hier und jetzt ans Messer zu liefern.
    Cheng wollte abwarten. Ihm fehlte ein Bild, das er sich machen und nach dem er urteilen und vorgehen konnte. Natürlich, er hatte erleben müssen, wie Anna dabei gewesen war, Janota zu liquidieren. Aber das reichte zu keinem wirklichen Bild. Außerdem, fand Cheng, war es Janotas Sache, davon zu berichten, sich zu erklären, bezüglich Nora und so weiter. Wenn er das nicht tat – seine Sache.
     
    »Ein Freund also«, wiederholte Straka. »Und Smolek? Auch ein Freund?«
    »Ja. Ein väterlicher«, erklärte Anna, »wie Sie sich vielleicht denken können.«
    Straka wandte ein, Frau Smolek hätte zuvor ausgesagt, sie, Anna Gemini, noch nie gesehen zu haben.
    »Natürlich nicht«, bestätigte Anna. »Was weiß die schon? Ihr Mann hat eine Menge unternommen, wovon sie keine Ahnung hatte.«
    »Und zwar.«
    »Nichts Ungeheuerliches. Freundschaften, Kontakte eben, von denen er meinte, sie bräuchten seine Frau nicht zu interessieren.«
    »Und wie stand er zu Ihrem Sohn?«
    »Er mochte ihn, glaube ich. Allerdings war er zuletzt sehr begierig darauf, Carl für seine Zwecke zu vereinnahmen. Ich habe das unterbunden. Carl selbst hat es unterbunden. Freilich dachte ich, Smolek würde das akzeptieren.«
    »Hat er auch. Davon bin ich überzeugt«, sagte Straka.
    »Wovon ich leider nicht überzeugt bin, ist, daß Sie mir die ganze Wahrheit erzählt haben. Aber das wäre auch ein bißchen viel verlangt. Manche Dinge brauchen Zeit. Wir werden uns diese Zeit nehmen, Frau Gemini. Wir werden uns morgen zusammensetzen und uns – mit allem Krampf, der dazugehört – um die Wahrheit bemühen. Ich will das und Sie können das. Jetzt aber wäre mir recht, wenn Sie nach Hause fahren. Sie müssen erreichbar sein, wenn Ihr Sohn anruft. Und er wird wohl anrufen. Irgendwann rufen sogar Vierzehnjährige an. Im Unterschied zu Sechzehnjährigen. Die schneiden sich lieber die Zunge ab, bevor sie anrufen. Das ist nämlich der Unterschied zwischen der Nonchalance eines Halbwüchsigen und der Trotzigkeit eines Pubertierenden. Glauben Sie mir.«
    Straka lächelte ob der eigenen Weisheit wie ein frisches Taschentuch, dann rief er nach einem Beamten, der Anna Gemini fahren solle.
    »Nicht nötig«, sagte Anna Gemini. »Herr Janota wird so lieb sein, mich nach Hause zu bringen.«
    Apostolo Janota nickte. Natürlich nickte er. Warum gab er sich nicht gleich die Kugel? Erneut sah er hinüber zu Cheng.
    »Gute Idee«, meinte der Detektiv und riet: »Bleiben Sie bei Frau Gemini. Man kann nie wissen.«
    Janota begriff. Cheng meinte wohl, daß seine, Janotas, größte Sicherheit darin bestand, ständig um Anna Gemini zu sein. Jetzt, wo die Polizei davon wußte, wo er sich befand. Überspitzt gesagt, wäre es wohl das beste gewesen, er hätte gleich um Anna Geminis Hand angehalten. Allerdings wäre dann nötig gewesen, sich vorher scheiden zu lassen.
    Oder die Tötung seiner Frau in Auftrag zu geben. Komische kleine Idee.
     
    Zdenko Bischof erschien und erklärte, daß im Keller nichts Verdächtiges zu entdecken gewesen sei und seine Mannschaft nun mit der Befragung der Nachbarn begonnen hätte.
    »Gut«, sagte Straka. Und an Anna gewandt: »Sehen Sie. Fahren Sie also nach Hause und warten dort mit Herrn Janota.«
    Apostolo Janota und Anna Gemini – allein schon ihrer merkwürdigen Namen wegen ein ideales Pärchen – verließen den Raum. Straka und Cheng sahen hinter ihnen her wie die zufriedenen Väter von Braut und Bräutigam. Und genau etwas von der Art einer Familienbande war es ja auch, was die beiden Männer füreinander empfanden. Denn von Freundschaft konnte nicht die Rede sein. Sie waren ja nicht durch irgendein Hobby, irgendeine stammtischartige Beziehung miteinander verbunden, sondern durch das Leben selbst. Das Leben als Unfall und Täuschung.
    »Zigarette?« fragte Straka und hielt Cheng die Packung hin.
    »Ich dachte, Sie rauchen nie vor fünf Uhr am Nachmittag«, erinnerte sich Cheng.
    »Nein. Ich rauche immer nur nach fünf Uhr am Nachmittag. Das ist nicht das gleiche. Um vier Uhr morgens ist es zudem schwer zu

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