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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Draht«, erinnerte Herr Stefan.
    »Ich meinte es bildlich«, sagte Cheng. Aber das war eine Ausrede.

24 Chengs Party
    »Noch immer Oberstleutnant?« fragte Cheng.
    »Noch immer«, antwortete der Mann, schüttelte aber den Kopf, womit er meinte, es nicht fassen zu können, Cheng gegenüber zu stehen. »Hätte nie gedacht, Sie wieder zu sehen. Ich habe von Ihrer Stuttgartsache gehört. Meine Güte, Cheng, Sie haben schon ein Händchen für so was. Wie machen Sie das bloß?«
    »Ich sehe von fern ein tiefes Loch, steure es an und springe ohne Umstände hinein. So einfach.«
    »Na ja. Ich muß gestehen, Ihnen scheint das Ausland gut bekommen zu sein. Sie sehen blendend aus. Hervorragend.«
    »Mein Arm ist leider nicht nachgewachsen. Aber ich fühle mich gut, das stimmt. Die Schraube in meinem Bein, die Wiener Schraube, wurde herausgenommen und durch eine deutsche Schraube ersetzt. Was immer man über die Deutschen denken mag, von Schrauben verstehen sie etwas. Es hinkt sich seither um einiges leichter. Wirklich erstaunlich ist aber, daß meine Schwerhörigkeit sich völlig gelegt hat. Ich habe kein Hörgerät mehr nötig. Nicht, daß es mich gestört hat, ein solches zu tragen. Der Mensch ist von einer phantastischen Anpassungsfähigkeit. Eher ist es so, daß mir mein Hörgerät abgeht. Gut zu hören, ist freilich auch was wert.«
    »Selbstverständlich«, sagte der Mann, ein gewisser Oberstleutnant Straka, »aber das ist es gar nicht, was ich meine. Ihre Schrauben kann ich ja nicht sehen, und auch nicht in Ihr Ohr hinein. Was ich meine, Sie sehen jünger aus als damals. Jünger, ja, glücklicher. Wie man so sagt: fesch.«
    »Danke, Oberstleutnant. Schade, daß ich das Kompliment nicht zurückgeben kann.«
    »Wäre auch gelogen«, sprach Straka. »Ich bin gealtert, ich weiß. Wobei man in solchen Momenten gerne von der Arbeit spricht, die einen auffrißt. Tut sie auch, aber ich glaube, das ist es nicht. Kann es nicht sein. Es ist … Ein paar Leute, die ich mochte, sind in den vergangenen Jahren gestorben. Man stirbt halt mit. Das ist auch besser so, um es auszuhalten. Aber es macht einen nicht gerade hübscher.«
    »Apropos«, sagte Cheng und wies auf den toten Menschen, der vor einer Batterie leerer 4711-Flaschen saß.
    »Sie haben recht, Cheng. Wir haben zu tun. Bringen Sie mich also rasch auf den Stand. Erklären Sie mir, warum Sie nicht in Kopenhagen sind.«
    »Ein Auftrag«, sagte Cheng, wie man sagt: Ein Unfall.
    Sodann berichtete er, was sich zugetragen hatte, wobei er allerdings erstens seinen dänischen Auftraggeber unbenannt ließ und zweitens darauf verzichtete, zu erwähnen, daß Anna Gemini vorgehabt hatte, Apostolo Janota zu liquidieren. Hingegen erklärte er, daß Smolek ihm als Informant in der Gude-Angelegenheit gedient habe.
    »Was ist mit der Frau draußen?« fragte Straka.
    »Anna Gemini. Die Mutter des Kindes, das Smolek entführt hat. Zumindest scheint es so.«
    »Und der Mann? Das ist doch dieser Komponist …
Apostolo …«
    »Apostolo Janota. Ein Freund von Frau Gemini, in gewisser Weise.«
    »Was heißt das?«
    »Soll er Ihnen selbst erzählen. Wenn er Ihnen etwas erzählen will. Oder was Frau Janota zu sagen hat. Es gibt ein paar Dinge, die mir noch unklar sind und über die ich mich nicht äußern möchte.«
    Straka nickte. Er wäre nicht auf die Idee gekommen, Cheng zu drängen. Richard Straka empfand eine tiefe Schuld gegenüber dem Detektiv. Hielt sich für verantwortlich, daß Cheng vor Jahren in einer gottverlassenen Berglandschaft seinen Arm eingebüßt und sich einige andere Verletzungen zugezogen hatte.
    Umso mehr erstaunte es Straka, wie gut sich sein alter Bekannter in Stuttgart und Kopenhagen entwickelt hatte. Sollte das möglich sein? Daß ausgerechnet solche Städte sich als Heilstätten erwiesen und aus einem körperlichen wie seelischen Wrack einen hübschen und jugendlich anmutenden Menschen machten?
    Aber um dies zu erörtern, war man natürlich nicht hier. Leider.
    »Das ist eine zu verrückte Geschichte«, sagte Straka mit Blick auf den Toten, den er wie eine Skulptur von allen Seiten betrachtete. »Was soll man davon halten? 4711!? Herr im Himmel. Wenn es sich um einen Selbstmord handelt, geht es mich natürlich nichts an. Die Leute dürfen sich umbringen, wie es ihnen beliebt. Bei einem Verbrechen aber …«
    Straka war Leiter der Abteilung Mordgruppe 3, was sich anhörte, als verwalte er einen komischen kleinen Eishockeyclub. Freilich war er nicht der schlechteste unter

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