Ein dickes Fell
vor«, sagte Lukastik und rechtfertigte den Plural mit einer umfassenden Armbewegung, »daß Sie ernsthaft an der Rettung Ihrer Frau interessiert waren. Daß Sie nämlich versucht haben, sie rechtzeitig aus dem Haus zu holen. Was Ihnen leider nicht mehr gelungen ist.«
»Wie? Halten Sie mich für einen Hellseher? Einen Hellseher, der sich ein klein wenig verkalkuliert hat.«
»Ich glaube nicht, daß Sie noch die Möglichkeit hatten, groß zu kalkulieren. Sie haben es ganz einfach riskiert. Und mit Hellseherei hat das natürlich nichts zu tun. Vielmehr dürften
Sie – spät, aber doch – erkannt haben, was für ein Verbrechen Sie da eigentlich begehen. Beziehungsweise begehen lassen. Freilich war die Chance vertan, das Ganze abzublasen. Also wollten Sie wenigstens Ihre Frau retten. Wer weiß, vielleicht hätte die Dame vor lauter Dank sogar geschwiegen.«
»Auweia! Bezüglich Lydia liegen Sie ein paar gewaltigen Irrtümern auf. Hätte es einen Weg gegeben, mich lynchen zu lassen, sie hätte höchstpersönlich den Strick geflochten.«
»Glaube ich gerne«, sagte Lukastik. Und folgerte: »Darum auch Ihre Idee, das Haus in die Luft zu sprengen.«
»Meine Güte, was reden Sie? Und wie offen Sie dabei sind. Erstaunlich. Als würden Sie selbst nicht ernst nehmen, was Sie da sagen. Mich bloß ein wenig provozieren wollen. Fragt sich nur, wozu? Außerdem irren Sie sich, wenn Sie meinen, ich sei ein kleines Bubi, dem man Rauschgift unterjubeln kann.«
»Das glaube ich sicher nicht. Sie gelten als ein harter Geschäftsmann.«
»O Gott, jetzt kommt das! Als wäre ein Makler schlimmer als jeder Gauner.«
»Tja!« äußerte Lukastik im Ton unernsten Bedauerns. »Sie kennen ja die Vorurteile gegen Ihr Gewerbe. Und leider sind auch Polizisten nicht frei davon. Aber ich wollte eigentlich nur sagen, daß ich weiß, daß Sie kein Bubi sind. Wenn ich so unverblümt mit Ihnen spreche, dann, weil ich glaube, daß wir auf diese Weise rascher vorwärtskommen. Glauben Sie mir bitte eines: Alles, was wir Ihnen beweisen müssen, werden wir Ihnen auch beweisen. Wenn ich so direkt bin, dann, weil ich uns Blut und Tränen ersparen möchte.«
»Wollen Sie mich foltern?«
»Das war nicht wörtlich gemeint.«
»Wie schön«, säuselte Armbruster und war bemüht, das Legere seiner Haltung noch eine kleine Spur zu steigern, ohne aber zu übertreiben. Dann sagte er: »Um so offener Sie sind, Herr Chefinspektor, umso mehr muß ich mich wundern. Wie wenig Handfestes dabei ist. Und Sie nichts Besseres vorweisen können, als die eigene Irritation. Bloß weil Ihnen die Stelle nicht paßt, an der man mich und meine Frau fand. Wir reden immerhin von einem Haus, wo kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Also, was soll das? Ich würde jetzt gerne gehen.«
»Bitte bleiben Sie«, sagte Lukastik. Sein leichtes Lächeln tauschte er in der Art einer Rochade mit einem Ausdruck ebenso leichter Wehmut. Dann wandte er sich zu Oberstleutnant Straka, der sich mit einem kleinen Ruck von der Wand abstieß und sich auf der Kante von Lukastiks wuchtigem, schwarzem, spiegelglattem Schreibtisch niederließ. Einem Tisch aus schwarzem Eis.
»Ich bin hier nur Gast«, begann Straka. »Mein Fall ist ein anderer …«
»Meine Güte, was wollen Sie mir noch alles anhängen?«
»Warten Sie. Sie werden gleich erkennen, weswegen gleich zwei Abteilungen Sie quälen. Kennen Sie eine Frau Gemini?«
Natürlich kannte Armbruster eine Frau Gemini. Anstatt aber, wie es vernünftig gewesen wäre, die Frage augenblicklich zu bejahen, verspürte Armbruster zum ersten Mal während dieses Gesprächs eine Unsicherheit aufkeimen. Und leider keimte sie rasch. Armbruster beklagte sich: »Was geht Sie das an?«
»Denken Sie denn«, fragte Straka und wirkte jetzt um einiges gesünder und frischer und erfolgreicher als noch kurz zuvor, »daß meine Frage ohne Sinn ist? Bloß zu Ihrem Ärger und meinem Vergnügen gestellt wird?«
»Ja, ich kenne eine Frau Gemini«, sagte Armbruster. Aber auch jetzt war er zu schnell bei der Sache. Man kann nicht ausweichen, um gleich darauf wieder einzuschwenken. Das ist, als fange man den Tischtennisball auf, den man soeben selbst serviert hat. Das ist dann natürlich ein Punkt für den Gegner.
Armbruster merkte, daß er schwitzte. Kein Wunder bei dieser Hitze. Aber es war dennoch der falsche Moment. Wenn schon, dann hätte er früher zu schwitzen anfangen müssen. Oder später.
Absurd daran war, daß seine Aufregung ausgerechnet in dem Augenblick
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