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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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erklärte, Chefinspektor zu sein, während sich der andere Polizist als ein Oberstleutnant herausstellte. Oberstleutnant Straka. Wobei zu sagen wäre, daß Straka auch privat gesehen der höhergestellte war, da es ihm ja nicht nur gelungen war, seiner ersten Frau einen zielgenauen Schlag zu verabreichen, sondern er zudem ein glücklich zu nennendes Leben mit seiner zweiten Frau führte. Was da auch immer, seinen eigenen Befürchtungen zufolge, noch kommen würde.
    Lukastik hingegen wohnte seit einiger Zeit wieder bei seinen greisen Eltern, dort, wo auch seine Schwester untergekommen war, mit welcher ihn einst ein inzestuöses Verhältnis verbunden hatte. Keine sehr glückliche Geschichte, wenngleich niemand daran zugrunde gegangen war. Dennoch bedeutete ihrer beider Rückkehr in die elterliche Wohnung, daß sie in eine längst erstarrte Vergangenheit geraten waren und nun in ihr feststeckten. Denn natürlich muß eine Vergangenheit starr sein. Sonst wär’s ja nicht normal. Darin festzustecken, ist freilich alles andere als normal.
    So verschieden Lukastik und Straka in Rang und Karriere auch waren, so besaßen sie innerhalb des Apparats einen sehr ähnlichen Ruf. Sie verfuhren beide auf eine Weise, als fechteten sie einen höchstpersönlichen Kampf aus. Und zwar nicht eigentlich gegen die Kriminellen, sondern gegen eine diabolische, nichtsdestotrotz höhere Idee, eine Idee, der all die Kriminellen bloß als relativ hirnlose Puppen dienten und deren Sinn einzig und allein darin bestand, Unordnung zu schaffen. Ja, sowohl Lukastik als auch Straka verfolgten keinen moralischen Zweck, sondern versuchten, einer solchen Unordnung die Basis zu nehmen und eine grundsätzliche und ursprüngliche Ordnung wiederherzustellen. Keine gesellschaftliche Ordnung, sondern eine naturgegebene.
    Das ist gut zu vergleichen mit jenen fanatischen Hausfrauen und nicht minder fanatischen Hausmännern, welche tagtäglich gegen einen Staub ankämpfen, den sie – vollkommen zu Recht – als etwas Widernatürliches ansehen, als ein Werk des Teufels. Oder einer fremden, bösartigen Macht. So wie sie umgekehrt jede staubfreie Fläche als Ausdruck eines triumphierenden und göttlichen Prinzips erkennen. Als eine, wenn auch kurze Einsetzung paradiesischer Zustände. Denn ein Paradies, in dem Staub liegt … Wer wollte sich so etwas vorstellen? Bezeichnenderweise ist das eins von den Themen, welche Theologen gerne aussparen: Woher kommt der ganze Staub?
    Man kann also sagen, daß sowohl der Staub wie auch das Verbrechen auf einen Plan zurückzuführen sind, welcher bei der Erschaffung der Welt nicht bestanden hat. Am Anfang gab es keine Reibung. Erst mit der Reibung trat das Böse auf.
    Und so ungefähr ließ sich also auch erklären, was Lukastik und Straka bewegte, zu tun, was sie taten. Wobei Lukastik der strengere der beiden war, zudem der unbeliebtere. Bei jemand, der sexuell nicht im reinen mit sich war, auch kein Wunder.
     
    Dieser sexuell im unreinen seiende und in einer starren Vergangenheit feststeckende Chefinspektor beugte sich ein wenig vor, öffnete die Hände zu einer kleinen Geste pädagogischer Dominanz und fragte Armbruster, ob er sich vorstellen könne, weshalb er hier sei.
    »Nun, ich denke«, begann Armbruster, »es geht um die Explosion. Ich wüßte nicht, warum Sie mich sonst sprechen wollen.«
    »Ihre Frau … Sie beide lebten in Scheidung.«
    »Wir waren einfach nicht füreinander geschaffen. Gott muß sich geirrt haben, als er uns zusammenführte.«
    »Der Anwalt Ihrer Frau«, erklärte Lukastik, »hat das etwas schärfer ausgedrückt.«
    »Der Mann ist undiskutabel. Lyssa … Lydia war schlecht beraten, diesen … diesen Herrn zu engagieren. Das war auch der Grund, daß ich sie an diesem Abend aufgesucht habe. Um ihr klarzumachen, daß solange dieser Anwalt mitzureden hat, es keine gute Lösung geben kann. Überhaupt keine Lösung.«
    »Das klingt«, sagte Lukastik, »als hätte immerhin eine Gesprächsbasis bestanden zwischen Ihnen und Ihrer Frau.«
    »Nein, die gab es nicht. Aber ich wollte eine herstellen.«
    »Und?«
    »Nun, bevor ich damit auch nur beginnen konnte, ist dieses verdammte Haus in die Luft geflogen.«
    »Wußte Ihre Frau, daß Sie sie besuchen wollten?«
    »Nein, ich kam gerade vorbei, und da habe ich bei ihr geklingelt. Ich wollte das endlich klären, die Sache mit dem Anwalt.«
    »Wie soll ich das verstehen, Sie kamen vorbei? Mit dem Wagen?«
    »Nein, zu Fuß. Ich spaziere gerne.«
    »Ach!? Ein sehr

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