Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Natürlich war ihm hin und wieder die Idee gekommen, daß mit dem Geld Anna Geminis etwas nicht in Ordnung war. Doch mit welchem Geld war schon alles in Ordnung? Deshalb brauchte man noch lange nicht die Vorstellung entwickeln, jemand verdiene sich mit der Ermordung anderer seinen Unterhalt. Und jetzt saß er da und …
    »Ich hatte keine Ahnung«, sagte Armbruster und redete hinein wie in einen leeren Becher.
    »Damit werden Sie nicht durchkommen, Herr Armbruster«, ließ sich jetzt wieder Lukastik vermelden. »Sehen Sie es so. Entweder wir favorisieren Oberstleutnant Strakas Fall oder den meinen. Wobei letzterer darin besteht, den Umstand zu klären, weshalb im Keller des explodierten Hauses die Gasleitungen beschädigt waren. Oberstleutnant Straka hingegen hat eine ganze Latte von Kapitalverbrechen auf seiner Liste. Verbrechen, die auf das Konto von Frau Gemini gehen. Was freilich zu beweisen wäre. Der Mann, dessen Aussage uns in dieser Hinsicht nutzen würde, ist leider tot. Darum, Armbruster, geben wir Ihnen jetzt die Chance … Verstehen Sie mich nicht falsch, wir haben nicht vor, Sie straffrei davonkommen zu lassen. Hier ist nicht der Himmel, hier sitzen keine Götter. Wir haben nichts zu verschenken und nichts zu verzeihen. Nicht angesichts zahlreicher Toter unter den Trümmern des Hauses. Aber wir könnten darauf verzichten, Ihnen nachweisen zu wollen, daß Sie in die genaue Planung Geminis eingeweiht waren.«
    »Das ist unlogisch«, erklärte Armbruster und wirkte plötzlich hellwach. »Hätte ich nicht ganz genau gewußt, was passieren wird, hätte ich mich kaum beeilen müssen, meine Frau in ihrer Wohnung aufzusuchen. Nicht an diesem Tag und um diese Zeit.«
    »Hätten Sie genau gewußt, was passiert, hätten Sie das Haus gar nicht erst betreten. Sie hätten telefonieren können. Sehen Sie, man kann solche Dinge in viele Richtungen drehen und wenden. Wenn Sie mit uns kooperieren, uns sagen, was Sie über Anna Gemini wissen, vor allem über die Tötung von Botschafter Gude, dann werden wir zusehen, daß Sie schlußendlich nicht als das Monster dastehen, das Sie sind. Sondern nur als ein mickriger Ehemann, der seine Frau loswerden wollte, aber nicht ahnte, daß dafür ein ganzes Mietshaus in die Luft gejagt werden muß.«
    »Gude? Was für ein Botschafter Gude?«
    »Sie wollen also nicht«, stellte Lukastik fest und legte seine Hand auf ein kleines rotes Büchlein, das neben einem Handy als einziger Gegenstand die glatte, glänzende Schreibtischfläche besetzte. Es sah aus, als berühre er eine Bibel oder ein Gesetzbuch oder einen Stein der Weisen. Er meinte: »Das ist eine schlechte Entscheidung, die Sie treffen. Sie werden am Ende jemand sein, der den Tod von einem Dutzend Menschen zu verantworten hat. Und zusätzlich dazu eine Frau deckt, die wohl auf mehr als ein Dutzend kommt. Das ist kein nettes Abbild Ihrer Person, das sich daraus ergibt.«
    »Drohen Sie mir, soviel Sie wollen«, sagte Armbruster. »Es nützt nichts. Ich kann Ihnen über Frau Gemini nichts sagen. So wenig wie ich gestehen kann, ich hätte die Ermordung meiner Frau in Auftrag gegeben.«
    Manchmal war die Wahrheit ein Brocken, der unmöglich zu stemmen war. Zumindest nicht mit zwei Händen. Doch mehr als zwei Hände standen dem armen Clemens Armbruster im Moment nicht zur Verfügung. Und darum fragte er, ob er jetzt gehen könne.
    »Ich kann Sie nicht halten«, sagte Lukastik. »Noch nicht, muß ich betonen. Denn so wie es jetzt aussieht, wird es mein Fall sein, welcher Vorrang hat. Ihre Schuld.«
    »Ja, da kann man nichts machen«, sagte Armbruster, frei von Ironie, allerdings nicht frei von Bitterkeit, erhob sich und bewegte sich auf die Türe zu, durch die er gekommen war.
    »Eine kleine Frage noch«, hielt ihn Straka zurück.
    »Bitte!«
    »Sie erwähnten … Also, gleich als Sie das erste Mal den Namen Ihrer Frau nannten, sprachen Sie von Lyssa, bevor Sie sich dann verbessert haben und Lydia sagten. Das hat mich ein wenig verwundert. Lyssa!? Ein Kosenamen?«
    »Ja, ein Kosenamen.«
    »Mit welcher Bedeutung?«
    »Finden Sie’s heraus«, empfahl Armbruster und fühlte sich nun endlich ein klein wenig besser. Dann öffnete er die Türe und trat aus dem überheizten Raum in den überheizten Flur.

28 Zwei Männer im Schnee
    Der frühe Winter hatte nun wirklich zugegriffen, also nicht mehr nur gedroht wie am Abend der Explosion, wo dem kräftigen Schneeschauer eine kalte, aber klare Nacht gefolgt war. Nein, am zweiten Tag nach dem

Weitere Kostenlose Bücher