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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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weiter Weg, wenn man bedenkt, wo Sie wohnen.«
    »Das kommt Ihnen nur so vor«, meinte Armbruster und betrachtete Lukastik abfällig. So abfällig es eben erlaubt war.
    »Hatten Sie einen Schlüssel zur Wohnung?«
    »Natürlich nicht«, sagte Armbruster. Und fügte an: »Ehrlich gesagt, war ich überrascht, daß Lydia mir überhaupt geöffnet hat.«
    »Dieser Umstand hätte Ihnen beinahe das Leben gekostet. Die Großzügigkeit Ihrer Gattin, Sie hereinzulassen.«
    Es war von den beiden Polizisten immer nur Lukastik, welcher sprach. Der Mann, der Oberstleutnant Straka war, ein Typ mit grauen Haaren und weißem Kinnbart, einer Art Hungerkurgesicht und einer Zigarette, die gerade und mittig aus seinem Mund ragte, stand gegen die Wand gelehnt und sagte kein Wort. Er wirkte nicht einmal interessiert. Doch Armbruster konnte sich denken, daß Straka nicht gekommen war, die Standfestigkeit der Wand zu testen. Die nicht.
    Es war nun aber erneut Lukastik, welcher erklärte, sich schwer vorstellen zu können, daß jemand nach Feierabend einen derartigen Spaziergang auf sich nehme, ohne ernsthaft an die Möglichkeit zu glauben, am Zielort eingelassen zu werden.
    »Tut mir leid«, sagte Armbruster, »wenn Sie sich das nicht vorstellen können. Ich bin früher Langstrecke gelaufen. Seit mir aber meine Knie zu schaffen machen, gehe ich lieber, oft stundenlang. So was soll es geben.«
    »Spazieren Sie immer mit Anzug und Halbschuhen? Ich meine, wenn man bedenkt, was draußen für ein Wetter ist.«
    »Hören Sie, ich bin keiner von denen, die wegen ein paar Schritten in ein Rennfahrerkostüm schlüpfen und sich nicht ohne hundert Reflektoren in die Nacht trauen. Außerdem hatte ich einen Mantel dabei.«
    »Sie hatten keinen an.«
    »Nicht, als das Haus explodierte. Da stand ich bereits im Wohnzimmer.«
    »Da sind wir auch schon bei dem Problem, Herr Armbruster, mit dem ich mich leider herumzuschlagen habe. Die Stelle, wo wir Sie und Ihre Frau fanden … nun, die Stelle paßt nicht.«
    »Wie, sie paßt nicht?«
    »Nicht zur Lage von Frau Hillers Wohnung. Keine zwei Meter von Ihnen und Ihrer Frau fanden wir den Leichnam eines Mannes, dessen Wohnung sich zwei Stockwerke tiefer und auf der entgegengesetzten Seite des Hauses befunden hat. Können Sie mir das erklären?«
    »Vielleicht lag der Mann ja falsch, und nicht wir. Vielleicht – ich will nicht über Tote schlecht reden –, aber vielleicht hat er an Lydias Türe gehorcht.«
    »Sicher nicht«, sagte Lukastik, »wir fanden ihn in seinem Bett.«
    »Auch gut«, zuckte Armbruster mit der Schulter. »Ich bin Immobilienmakler, nicht Sprengmeister. Nicht einmal Statiker. Ich kann nicht beurteilen, was im Zuge einer solchen Explosion vor sich geht. Aber daß die Dinge in Unordnung geraten, habe ich am eigenen Leib erfahren. Da mögen Betten und ganze Stockwerke durcheinanderkommen. – Was wollen Sie mir überhaupt sagen?«
    »Ich stelle Fragen«, erklärte Lukastik und wandte seinen Oberkörper Richtung Gemälde, wie um Treibstoff zu tanken, »Fragen, die sich aufdrängen. Daß sie das tun, die Fragen, ist nicht Schuld der Polizei, nicht wahr? Allerdings habe ich diese Fragen auch anderen gestellt, Fachleuten. Niemand hat mir aber erklären können, wie Sie und Ihre Frau an genau die Stelle kamen, an der wir sie beide gefunden haben.«
    »Da kann ich Ihnen auch nicht helfen«, sagte Armbruster, der sich absolut sicher fühlte. Natürlich gab es Ungereimtheiten. Aber die gibt es immer. Entscheidend ist, ob sie auch ein Gewicht besitzen. Und von einem Gewicht hatte Armbruster eben noch nichts gespürt. Darum seine Ruhe, seine ganze selbstsichere Geschäftsmannattitüde. Seine übereinandergeschlagenen Beine, seine schiefe Haltung, den Finger am Kinn, ein Gähnen, hin und wieder der Blick auf die Uhr, als habe er noch Wichtigeres zu tun, als der Polizei zu erklären, daß sie ihren Job gefälligst selbst zu erledigen habe.
    »Wir könnten einmal versuchen«, sagte Lukastik, »uns vorzustellen, daß Sie beide, Sie und Ihre Frau, gar nicht in der Wohnung waren, sondern bereits im Treppenhaus, auf dem Weg nach unten, ins Freie. Auf der Flucht.«
    »Wie kommen Sie auf Flucht? Frau Hiller und ich waren alles andere als das Pärchen, das Spaß daran hatte, gemeinsam zu flüchten. Wovor denn überhaupt?«
    »Vor der Explosion«, sagte Lukastik und lächelte ganz leicht.
    »Ich verstehe schon wieder nicht, was Sie mir einreden wollen. Aber es klingt nach etwas ziemlich Dummem.«
    »Wir stellen uns

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