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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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einmal zurück zu seinem Tisch, registrierte die unveränderte Ei-Haltung Lauschers, gab Herrn Stefan ein Zeichen, das unerwidert blieb, und verließ das Lokal. Draußen lag der Schnee in Form einer niedergetretenen und niedergefahrenen, aber ziemlich lückenlosen und alles andere als fadenscheinigen Matte. Zum Schnee war nun eine beträchtliche Kälte gekommen. In der Luft lag der Klang von Glas, gegen das ein Festredner seinen Löffel schlägt.
    Rubinsteins Haus, Chengs Ex-Haus, war rasch erreicht. Erneut wunderte sich Cheng, in all den Jahren, da er in dieser Gegend gelebt hatte, niemals im Wirtshaus Adlerhof gewesen zu sein, noch davon gehört zu haben. Dies zeigte ihm, wie blind er damals für das Wesentliche gewesen war.
    Als er nun kurz vor neun Uhr vor das Haus trat und den Knopf der Gegensprechanlage drückte, meldete sich Frau Rubinstein, die sich offensichtlich gegen ihre Tochter durchgesetzt und sie mit mütterlicher Strenge – die tausendmal mehr wiegt als ein noch so hartes Vaterherz – ins Bett geschickt hatte.
    »Kommen Sie hoch«, sagte Frau Rubinstein. Es hörte sich an, als hätte sie schon mal den Wein probiert.
    Nun geschah es, daß Cheng zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk erneut die drei Kartäuserkatzen der verstorbenen Frau Kremser bemerkte, wie diese zusammengedrängt in einer Fensternische kauerten. Eingeschüchterter als noch beim letzten Mal. Jetzt laborierten schon zwei von ihnen an einem geschlossenen Auge.
    Genug, dachte Cheng und entschloß sich, die Sache in die Hand zu nehmen. Das Katzen-Problem zu lösen. Von Frau Rubinstein an der Türe empfangen, sagte er, er hätte im Haus noch kurz etwas zu erledigen. Sie wolle doch bitte ein paar Minuten warten, wenn das denn möglich sei.
    »Aber natürlich«, sagte Frau Rubinstein und war so höflich, nicht zu fragen, was er vorhabe.
     
    Cheng stieg hinauf ins letzte Stockwerk und klopfte bei Dussek. Die alte Frau öffnete, betrachtete ihn mit giftigen Augen und Haifischmund und fragte, welcher blöde Hund ihn ins Haus gelassen habe. Wartete aber eine Antwort gar nicht erst ab. Statt dessen erklärte sie, nichts kaufen zu wollen, schon gar nicht von einem Chinesen. Ein Chinese habe einmal hier gewohnt, sie wisse also, was von diesen Leuten zu halten sei.
    »Und? Was ist von denen zu halten?« fragte Cheng mit der ruhigsten Stimme, zu der er fähig war. Und ruhige Stimmen waren praktisch seine Spezialität. Er fügte an: »Ich meine den Chinesen, der einmal hier gelebt hat.«
    »Hat seinen Arm verloren«, sagte Frau Dussek, ohne die von einem Wintermantel verdeckte Invalidität ihres Gegenübers zu registrieren.
    »Na und?« blieb Cheng ungerührt.
    »Jemand, der seinen Arm verliert, kann kein Guter sein.«
    »Aha! Und was ist mit den Leuten, die im Krieg waren? Sie erinnern sich doch wohl noch?«
     
    »Lauter Deserteure«, behauptete Frau Dussek. »Ein ordentlicher Soldat überlebt ganz oder gar nicht. Einen Arm verlieren, ist wie Fahnenflucht. Der Arm flüchtet und mit ihm auch der Rest.«
    »Und der Chinese, den Sie kannten?«
    »Habe ich kaum gesehen. Hatte hier ein Detektivbüro. Dubiose Sache. Aber warum rede ich überhaupt mit Ihnen? Hauen Sie ab!«
    »Was ist mit den Katzen?« fragte Cheng und erhitzte den Tonfall seiner Stimme, in etwa wie man ein Bügeleisen erhitzt.
    »Was für Katzen? Wovon reden Sie?«
    »Die drei Kartäuser. Frau Kremsers Katzen.«
    »Woher …?«
    »Mein Name ist Cheng«, sagte Cheng und hob den linken Ärmel seines Mantels ein Stück in die Höhe. »Sie erinnern sich ja offensichtlich an mich. Wenn auch nicht an mein Gesicht.«
    »Das hätten Sie gleich sagen können«, meinte Frau Dussek hart, aber mit einem Knick in der Stimme.
    »Meine Sache«, stellte Cheng klar. »Also, was haben Sie mit den Katzen angestellt? Früher waren die so breit wie lang. Jetzt aber könnte man meinen, sie kämen direkt aus Griechenland. Und das ist noch freundlich gesagt.«
    »Was geht Sie das an? Was tun Sie überhaupt hier?«
    »Ich komme im Auftrag von Frau Kremser.«
    »Wie? Was soll das? Die Kremser hat sich erhängt.«
    »Es gibt ein Testament, in welchem sie mich verpflichtet, nach ihren Katzen zu sehen.«
    »Welches Testament?« stöhnte Dussek. »Es gibt kein Testament. Es gibt keine Erben, keinen Besitz, kein blödes Testament.«
    »Da irren Sie sich. Ich erhielt es erst vor kurzem. Leider Gottes. Aber noch ist es ja nicht zu spät.«
    »Was wollen Sie denn?« fragte Frau Dussek und tönte jetzt wie ein

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