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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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seine Nachbarin gewesen war.
    »Ich bin’s. Jetzt laß mich schon rein, Gregor!« vernahm Cheng die gepreßte Stimme der Dussek.
    Eine Türe öffnete sich umständlich. Umständlich in bezug auf die vielen Sicherheitssperren, die hörbar und unhörbar erst entriegelt werden mußten.
    Als dies endlich geschehen war, verkündete ein Mann: »Ich bin müde. Was ist denn los?« Und fügte hinzu, ihm sei nicht nach Reden zumute.
    »Da wird dir nichts anderes übrigbleiben«, sagte Frau Dussek. »Bei mir war gerade einer. Heißt Cheng. So ein Chinese. Der Vormieter von der Rubinstein.«
    »Und?«
    »Hat sich aufgeregt wegen der Katzen.«
    »Wie aufgeregt?«
    »Daß ich sie verhungern lasse.«
    »Läßt du sie ja auch.«
    »Fressen halt nicht alles, die verwöhnten Luder«, rechtfertigte sich Frau Dussek.
    »Was will dieser Cheng?« fragte der Mann, der Gregor hieß.
    »Will die Katzen mitnehmen.«
    »Und wieso?«
    »Hat was von einem Testament erzählt. Behauptet, die verdammte Kremserin hätte ihn in dem Papierl beauftragt, sich um die Katzenviecher zu kümmern.«
    »Ein Testament? Komm rein!« sagte Gregor. Er schien nicht bloß interessiert, sondern mit einem Mal aufgeregt. Nervös. Das war deutlich zu hören. Dann freilich vernahm Cheng nur noch das Geräusch der Türe, wie sie ins Schloß fiel.
    Cheng war überzeugt, daß es sich bei der Wohnung, in die Frau Dussek verschwunden war, um jene ehemals Kremsersche handelte. So, wie er auch überzeugt war, daß der Mann, der Gregor hieß, beim Schließen der Türe darauf verzichtet hatte, erneut all die Balken vorzuschieben und Sicherheitsschlösser zu aktivieren. Vielleicht seiner Erregung wegen. Vielleicht, da er vorhatte, Frau Dussek recht bald wieder aus seiner Wohnung zu entlassen, und sich eine zusätzliche Prozedur ersparen wollte.
    Cheng warf den Katzen einen Blick zu, wie man dies tut, wenn man jemand auf einer halb gekappten Hängebrücke zurückläßt, keineswegs aber, um zu flüchten, sondern sich mit dem anzulegen, der diese Hängebrücke zu kappen versucht, also jemand in der Art von King Kong oder Godzilla oder Mr. Freeze.
    Cheng stieg die Treppe nach oben, in sein eigenes, altes Stockwerk. Tatsächlich befand sich auf der Türe, die zu Frau Kremsers einstiger Wohnung führte, ein Schild, das den Namen Gregor aufführte, Gregor Pavor.
    Cheng überlegte, ob er anläuten und solcherart mit der Tür ins Haus fallen sollte. Freilich war es noch kein Verbrechen, daß Frau Dussek und Herr Pavor sich kannten und austauschten. Deswegen konnte man nicht verlangen, eingelassen zu werden. Genau das aber wollte Cheng. Er wollte sehen, was aus Kremsers Wohnung geworden war. Er spürte, daß das der Punkt war. Er spürte es, wie man spürt, daß es kalt wird. Obgleich es natürlich möglich wäre, daß es gleich darauf aufhört, kalt zu werden. Aber wann ist das schon der Fall? Wenn es einmal anfängt, kalt zu werden, wird es auch kalt..
    Cheng klopfte also nicht, sondern drückte die Schnalle. Freilich hatte er ein Schnappschloß erwartet. Doch offensichtlich stand das eigentliche Hauptschloß im krassen Widerspruch zur aufwendigen Nachrüstung. Keine Frage, es stammte noch aus der Zeit der Frau Kremser. Und besaß den Vorteil, einen außerhalb stehenden Benutzer nicht auszuschließen.
    Jedenfalls konnte Cheng die Türe öffnen, was er mit großer Vorsicht tat, und sodann durch den hergestellten Spalt in das Dunkel eines Vorraums trat. Er bewegte sich – die große Vorsicht aufgebend, weil sie ja im Widerspruch zur eigentlichen Handlung stand (wirklich große Vorsicht hätte nämlich bedeutet, gar nicht erst einzutreten) –, er bewegte sich also zügig auf einen weiteren Spalt zu, durch welchen das kräftige Licht des dahinter liegenden Raums fiel.
    Als Cheng nun in dieses Zimmer ging, und zwar mit einem »Grüß Gott!«, um später vorgeben zu können, sich keineswegs heimlich Zugang verschafft zu haben, da blieb ihm sein Gruß im Hals stecken.
    Nun, mit irgend etwas hatte er ja rechnen müssen. Freilich nicht damit, daß Frau Dussek, eine immerhin auf die Achtzig zugehende Frau, ihn mit nacktem Oberkörper empfangen würde. Was ihn natürlich auch bei einer viel jüngeren Frau überrascht und verwirrt hätte. Aber die Nacktheit wirklich alter Menschen war nun mal darum ein verstärkter Schock, weil man sich diese Menschen in der Regel ohne ihre Nacktheit dachte. Nicht ohne Körper, jedoch ohne die Möglichkeit, frei von Kleidung dazustehen.
    Doch genau auf diese

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