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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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selbstklingendes altes Gewehr. »Wollen Sie die Scheißviecher mitnehmen? Ich bitte darum. Meine Wohnung ist voll von dem Katzenhaardreck. Und früher haben sie alles zerkratzt. Mußte ihnen die Nägel ziehen lassen. Was ja Geld kostet. Wie ist das? Ersetzen Sie mir die Kosten? Steht das auch in Ihrem blöden Testament, daß ich Geld dafür bekomme, die drei fetten Dinger verköstigt zu haben?«
    »Die sind schon lange nicht mehr fett«, sagte Cheng und erklärte, Kremsers Katzen mit sich zu nehmen und sie von einem Tierarzt untersuchen zu lassen.
    »Was wollen Sie mir nachweisen? Daß ich diese Bestien nicht mit Kaviar gefüttert habe?«
    »Es gibt einen Tierschutz, gute Frau. Und wie gesagt, ich arbeite für Frau Kremser. Daß sie tot ist, ändert nichts daran.«
    »Ach, scheren Sie sich zum Teufel. Muß man sich so was anhören? Von einem Menschen mit Augen, die ausschaun wie Stichwunden. Kommen daher, diese Asiaten, ausgerechnet, und wollen einem sagen, wie man Viecher behandeln muß. Fressen Ameisen, fressen Hunde, fressen kleine Affen, und wollen einem dann Vorschriften machen.«
    Cheng unterließ es, den Irrtum aufzuklären. Darum ging es jetzt nicht. Es ging darum, einen Auftrag zu erfüllen, der seit langem bestand, ihm aber erst kurz zuvor bewußt geworden war. Nicht, daß ein Testament tatsächlich existierte. Dafür konnte man von einem … nun, von einem Signal aus dem Jenseits sprechen. Was mehr wert war als irgendein notariell beglaubigtes Papier. Aktueller. Dringender.
    »Also«, beendete Cheng das Gespräch, »ich werde die Katzen in Sicherheit bringen.«
    »Von mir aus können Sie die Biester rosa färben. Aber wehe, Sie kommen auf die Idee, noch mal hier anzuklopfen, chinesischer Chineser«, warnte Frau Dussek, trat einen Schritt zurück und warf die Türe zu.
    So heftig, daß es Cheng schüttelte. Aber damit konnte er leben. Nein, das war okay. Denn Cheng hatte endlich begriffen, welchen tieferen Sinn seine Reise nach Wien besaß. Weshalb er wirklich gekommen war. Um nämlich diese Tiere zu retten, gleich wie zuwider sie ihm auch früher schon gewesen waren. Ein Auftrag war ein Auftrag, keine Frage des Mögens. Und ein Kunde von »drüben« mitnichten weniger wichtig.
    Freilich war diese Sache nicht einfach. So ganz ohne Katzenkorb und ohne wirkliche Idee. Wohin sollte er die Tiere bringen, jetzt nach neun Uhr abends?
    Rubinstein? Nun, er würde zumindest fragen können. Zuvor aber begab er sich an die Stelle hinunter, wo noch immer die drei Katzen in der Fensternische kauerten. Cheng versuchte, eine von ihnen anzufassen. Sofort öffnete diese ihr Maul, offerierte ein paar graugelbe, vereinzelt aus dem Gebiß stehende, aber genügend scharfe Zähne und fauchte in der Art eines Trinkers, der auf seine Fahne stolz ist. Cheng stand im heißen Sturm tierischer Gebärde. Und nahm folgerichtig seine Hand wieder zurück. Gleich darauf verfiel die Katze in ihre alte Haltung und wirkte erschöpft wie nach dem Mord an einer Maus.
    So ging es also sicher nicht. Wahrscheinlich würde nötig
sein – wäre Rubinstein bereit, die Katzen vorerst aufzu-
nehmen –, die kleine Lena aus dem Bett zu holen. Kinder, ganz gleich, ob sie Tiere liebten oder nicht, besaßen die selbstverständliche Gabe, die schwierigste Katze noch zu bändigen. Cheng wußte nicht, warum das so war, hatte es aber oft erlebt, wie Kinder Katzen einfach packten und mit sich nahmen, ihnen Futter gaben, ihnen die Zecken aus der Haut rissen, ihnen lächerliche Verkleidungen zumuteten, sie mit Popcorn fütterten und weiß Gott was. Jedenfalls war es das beste, wenn denn eine Katze fauchte und gefährlich schien, irgendein Kind zu holen, irgendeine von diesen frechen Gören oder von diesen halbstarken Ameisentötern. Die erledigten das schon. Auf ihre Art eben. Eine Art, welche Katzentiere wenn schon nicht mochten, dann jedenfalls respektierten. Möglicherweise war es so, daß Kinder die einzigen Menschen waren, die Katzen sich gezwungen fühlten, wirklich ernst zu nehmen. Und wenn nun die Kremserschen Katzen einen Fehler begangen hatten, dann wohl den, die alte Frau Dussek – weil nun mal eindeutig kein Kind – nicht ernst genommen zu haben.
    Während Cheng noch überlegte, wie das alles am besten zu organisieren und vor Frau Rubinstein zu rechtfertigen sei, hörte er Schritte von oben her und sodann ein Läuten im Stockwerk über sich, also in jenem, in dem Frau Rubinstein lebte. Und früher einmal er selbst, wie ja auch Frau Kremser, die

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