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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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wußte, daß es notwendiger denn je sein würde, vorsichtig zu sein. Und genau darum hatte er verschwiegen, daß Smolek, während er bereits tot in seinem Arbeitszimmer gelegen hatte, in der Unterführung des Matzleinsdorfer Platzes mit einer klingonischen Amselträgerin im Gespräch gewesen war. Oder wenigstens jemand, der Smolek ähnlich gesehen hatte.
    Cheng wandte sich um und marschierte zurück zur Busstation, wobei es ihm beinahe perfekt gelang, die eigenen Fußspuren zu nutzen. Seine alte Spezialität, den Weg zu nehmen, den er gekommen war.

29 Ballett
    Als er auf die große runde Wanduhr sah, war es kurz nach fünf. Cheng saß im Adlerhof, vor sich ein Glas Weißwein, wobei das Glas und der Wein die gleiche Art von Transparenz besaßen: Sie offenbarten die Leere, die sie füllten. Nebenbei gesagt, schmeckte Cheng der Wein, das zweite Glas besser als das erste. Er mußte sich erst wieder an die Wiener Weißweinsitte gewöhnen, an das Nachmittagstrinken, welches dazu führte, daß alles was dann im Laufe des Abends geschah – vorausgesetzt man versoff diesen Abend nicht –, einen feinen Glanz besaß. Und etwas ganz leicht Unwirkliches. Wie man das von Papageien kennt, die die ganze Zeit in der üblichen Weise vor sich herplappern, um dann plötzlich etwas zu sagen wie »Ich liebe Doris«, nur daß eben niemand eine Doris kennt. So war das, wenn man nachmittags trank und abends damit aufhörte.
    Neben Cheng lag Lauscher auf dem Boden und erinnerte an einen umgekehrten Entfesselungskünstler, dessen Kunst darin bestand, sich so gut zu fesseln, daß eine Befreiung unmöglich wurde. Schwanz und Beine und Schnauze waren unter dem Körper zusammengezogen. Man hätte Lauscher auch für ein behaartes Ei oder einen behaarten Stein halten können. Behaart und bewegt, denn das Auf und Ab, das sich aus seiner Atmung ergab, war bei genauer Betrachtung zu erkennen. Der Hund lebte also, wie todesähnlich sein Schlaf auch sein mochte. Was aber die anderen Gäste am meisten beeindruckte, war die Windelhose um Lauschers Unterleib. Ja, deprimierenderweise war es ausgerechnet ein tragbares Scheißhaus, welches den Blick der Leute fesselte.
    Cheng wartete. Er sah hinauf zum Fernseher, ohne etwas Bestimmtes wie ein Gesicht oder eine Handlung zu registrieren. Im Grunde war er auf die Eingangstüre konzentriert. Er wollte sehen, ob Dalgard die Karten für den Empfang selbst vorbeibrachte oder jemand schickte. Denn für Cheng war die Frage wichtig, ob Dalgard alleine arbeitete oder – wie er vorgab – in ein nicht näher benanntes Team eingebunden war. Cheng glaubte ersteres. Und war dann ziemlich überrascht, als gegen acht nicht Dalgard oder doch einer seiner Leute oder irgendein bezahlter Bote eintrat, sondern Anna Gemini. Sie sah sich kurz um, ging dann auf ihn zu, legte ein Kuvert auf den Tisch und setzte sich.
    »Was ist das?« fragte Cheng.
    »Und was ist das ?« fragte Gemini zurück und zeigte auf das behaarte Ei zu Chengs Füßen.
    »Mein Hund.«
    »Ihr Assistent?«
    »Nein, mein Hund arbeitet nicht für mich. Er ist kein Ermittler, sondern ein richtiges Tier, auch wenn richtige Tiere heutzutage selten geworden sind«, erklärte Cheng und legte seine Hand auf das Kuvert, ohne es aber zu öffnen. Er konnte sich bereits denken, was sich darin befand.
    »Vor einer Stunde«, sagte Anna Gemini, »wurde das bei mir abgegeben. Zwei Einladungskarten. Ganz schön nobel. Auf der einen steht mein Name, auf der anderen der Ihre. Jemand scheint uns für ein Paar zu halten.«
    »Wer hat die Karten gebracht?«
    »Ein Taxifahrer. Einer von diesen Typen, die keine Ahnung von nix haben. Hat mir das Kuvert in die Hand gedrückt und sich aus dem Staub gemacht.«
    »Großgewachsen?«
    »Kleingewachsen. Können Sie sich denken, was das soll? Wer sich so sehr wünscht, daß ausgerechnet wir beide zur festlichen Übergabe von ein paar Handschriften geladen werden? Und zwar ziemlich kurzfristig, wie ich finde.«
    »Das finde ich auch.«
    »Zudem mysteriös, mir so eine Art taubstummen Taxifahrer zu schicken. Ich wüßte auch nicht, was mich ein österreichischnorwegischer Verbrüderungsakt angeht.«
    »Haben Sie sich die Namen der Festredner angesehen?«
    »Nein.«
    »Die Hauptperson bei dieser Geschichte ist eine Frau Gude. Der Name ist Ihnen ja bekannt.«
    »Ich erinnere mich, daß Kurt Smolek überzeugt war, ich hätte einen Mann dieses Namens erschossen. Und daß Sie das ebenfalls denken.«
    »Daß Sie eine Killerin sind, wissen Sie aber

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