Ein dickes Fell
schon noch?«
»Ersparen Sie mir Ihren moralischen Ton.«
»Ich dachte, Sie hätten es mit der Moral.«
»Nicht mit Ihrer«, erklärte Anna Gemini. »Hören Sie, ich bin hier, weil ich wissen will, was diese Einladung soll. Soweit bekannt, arbeiten Sie ja für diese Leute, wer diese Leute auch immer sind, Skandinavier jedenfalls.«
»Ich weiß auch nicht«, sagte Cheng, »was davon zu halten ist oder was dahintersteckt. Aber ich glaube, es wäre besser, nicht dorthin zu gehen.«
»Besser für wen?« fragte Gemini.
»Für uns beide.«
»Wir gehen hin«, bestimmte Anna.
»Magda Gude ist die Ehefrau des Botschafters, der in der Albertina starb. Sie ist die Frau, die Ihnen damals half, vorbei an der Polizei aus dem Haus zu kommen.«
»Nicht vorbei an der Polizei, sondern in Begleitung der Polizei«, verbesserte Anna. »Aber Sie haben recht, Cheng. Da war eine Frau, die mir geholfen hat. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war. Sie hat mir ihren Namen nicht genannt.«
»Aber der Polizist, der Sie aus der Albertina brachte, wird Ihnen doch wohl gesagt haben, wer …«
»Ich wiederhole, ich hatte keine Ahnung, wer die Frau war. Genügt das jetzt?«
»Sie wollen sich das also ansehen.«
»Wir sind eingeladen«, betonte Anna. »Gehen wir hin und stellen fest, weshalb.«
»Na gut, wie Sie wollen«, sagte Cheng. Es klang deprimiert. Und tatsächlich fühlte er sich unglücklich ob dieser Entscheidung.
Anna Gemini erhob sich und sagte: »Holen Sie mich um sieben ab. Bei mir zu Hause.«
»Und Ihr Sohn?«
»Er hat jetzt dieses Mädchen. Ich denke, er wird erwachsen. Wogegen ich nichts habe. Ich bin nicht die Klette, für die man mich hält. Ich bin eine andere Klette. Wenn dieses Mädchen bereit ist, sich in derselben Weise um Carl zu kümmern, wie ich das getan habe, und genau das scheint der Fall zu sein, dann ist mir das recht. Ich bin eine Klette, die bereit ist, sich durch eine andere Klette ersetzen zu lassen.«
»Schön, das zu hören. Da wäre aber noch etwas. Was ist mit Janota?«
»Scheint’s, er hat Ihren Tip begriffen. Hat sich bei mir eingenistet.«
»Wie? Er wohnt bei Ihnen?«
»Sagte ich doch. Er hat mich, nachdem ich ihn dummerweise auch noch dazu angestiftet habe, nach Hause begleitet. Ich wollte ihn bloß von der Polizei wegbekommen. Jetzt aber weigert er sich, mein Haus zu verlassen.«
»Kluge Entscheidung. Dieses Gebäude ist mitnichten der Ort, an dem Sie ihn töten werden.«
»Richtig. Dazu kommt aber noch, daß Herr Janota sich für mein Haus an sich interessiert. Beziehungsweise für das ganze Grundstück. Er schwafelt etwas von Zeitlöchern und Zeitfallen, die er darauf vermutet. Der Mann ist ganz einfach plemplem.«
»Er ist ein großer Komponist unserer Zeit.«
»Und deshalb muß er plemplem sein?«
»Das nicht. Aber man muß ihm seine Freiheiten lassen. Ein Mann, der mit Robert de Niro vierhändig … Ich bitte Sie! Wenn Janota in Ihrem Haus und Garten ein Zeitloch sucht, lassen Sie ihn halt.«
Anna Gemini erklärte, daß ihr ohnehin nichts anderes übrigbleibe. Die Sache mit Janota sei schrecklich verfahren. Der Mann möglicherweise nicht totzukriegen.
»Na, das hoffe ich doch«, sagte Cheng und nickte.
Anna Gemini nickte zurück und verließ den Adlerhof.
Es war ein Tierfilm, der hoch oben, in Herrn Stefans Fernsehgerät zu sehen war. Wenn nicht Fußball lief, dann eben ein Tierfilm. Gezeigt wurden ein paar Löwenbabys, die aus freier Wildbahn stammten, jedoch elternlos geworden, nun in die Obhut eines deutschen Tansaniers gelangt waren und also gar herzig an Milchflaschen saugten, Tennisbälle zerfleischten, hinter Topfpflanzen lauerten und sehr viel mehr an Hauskatzen erinnerten, als an die Großkatzen, die sie tatsächlich waren und auch noch deutlich werden würden.
Aber das war es nicht, was Cheng beschäftigte. Ihm fielen die drei Kartäuserkatzen der verstorbenen, erhängten Frau Kremser ein, Katzen, die einst wohlgenährte, gesunde, heißgeliebte Exemplare gewesen waren, während sie nun, schikaniert von der alten Katzenhasserin Dussek, einen traurigen Anblick boten. Ihr zwischen Anklage und Flehen wechselnder Blick, den Cheng auf der Treppe seines früheren Wohnhauses empfangen hatte, drängte sich in sein Bewußtsein. Noch mehr freilich der Gedanke an Frau Rubinstein, die Frau, die mit ihrer Tochter Lena in der vom Detektivbüro zum schicken Mutter-Kind-Domizil mutierten ehemaligen Bleibe Chengs lebte.
Rubinstein, von der Cheng ja nicht einmal den
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