Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
nun die unversperrte Türe öffnete und solcherart die Streifen aus dem Bild verschwanden, erhielt seine Überraschung eine Wendung ins Atemlose: Der Mann war Kurt Smolek. Zumindest sah er ihm sehr ähnlich. Ganz sicher konnte Cheng da nicht sein. Immerhin war jener Smolek, den er zuletzt gesehen und in Erinnerung hatte, von den Folgen einer tödlichen Dosis 4711 verunstaltet gewesen. Dieser Mensch hier aber war am Leben, wenngleich er einen weltfernen Eindruck machte. Er blickte in ein Nichts und strich unaufhörlich über den Katzenkörper, welcher der Handbewegung hinterherzuckte. Das Schnurren glich dem Ton einer Maschine, die auch mit geringem Aufwand optimal funktionierte. Wie einer dieser neuen Geschirrspüler.
    »Ach je, der Detektiv!« seufzte der Mann, während er den Kopf anhob und seinem leeren Blick eine Füllung verlieh.
    »Sind Sie’s oder sind Sie’s nicht?« fragte Cheng.
    »Glauben Sie an Wunder, junger Mann?«
    »An solche eigentlich nicht«, antwortete der junge Mann.
    »Dann muß der Kurt Smolek, den Sie tot sahen und welcher ein Übermaß 4711 intus hatte, wohl ein anderer gewesen sein.«
    »Davon gehe ich aus«, versicherte Cheng. »Sagen Sie jetzt bitte nicht, das war Ihr Zwillingsbruder.«
    »Ich habe keinen Zwillingsbruder«, betonte der lebende Smolek.
    »Wovon sprechen wir dann? Von Ihrem toten Ebenbild? Einem mißlungenen Golem?«
    »Wären wir bloß schon so weit«, meinte Smolek mit einem kleinen Glitzern in seinen müden Augen, »wenigstens von einem mißlungenen Golem sprechen zu dürfen. Von einem, dem, wenn schon nicht das Leben, so zumindest der Tod eingehaucht wurde. Der wenigstens wie ein richtiger Mensch stirbt, wenn er schon nicht wie ein richtiger lebt. Denken Sie an diese ersten Fluggeräte, die gerade so hoch kamen, um abstürzen zu können. So ist das halt am Anfang. Aber ohne Fluggerät auch kein Flugversuch. Nein, Cheng, von einem mißlungenen Golem kann leider keine Rede sein. Aber wir kriegen das schon noch hin.«
    »Wer ist wir?«
    »Das wissen Sie doch. Lilith und ich.«
    »Lilith? Heißt so die Schwester Mascha Retis?«
    »Wir sind alle Geschwister. Mascha und Lilith und ich. Ich bin der Nachzügler, wie Sie sich denken können. Jeder von uns hat so seine Golem-Geschichte und seine diesbezügliche Besessenheit. Ich bin für den Golem, Lilith dagegen. Ich experimentiere, sie verhindert.«
    »Und Mascha?«
    »Sie ist die Zweitgeborene. Das Zwischenkind. Zwischenkinder haben selten eigene Wünsche. Sondern wünschen sich immer nur das beste für die anderen. Mascha hat sich für mich den Golem gewünscht. Und für Lilith, daß es ihr gelingen möge, den Golem zu verhindern oder zu vernichten. So war sie. Darin bestand ihre Seeligkeit.«
    »Mascha war also glücklich?«
    »Sie war es, bis dieser Janota in das Leben ihrer Enkelin getreten ist. Daß Nora verrückt wurde, hat auch der guten Mascha den Verstand gekostet. Eine komische Art von Loyalität. Nichts für mich und nichts für Lilith. Hätten wir uns früher um die Sache gekümmert, wäre dieser Janota längst tot und begraben. Er ist ein großes Stück Scheiße. Leider hat Anna Gemini in dieser Angelegenheit versagt.«
    »Was Sie nicht sagen?« tönte Cheng. »Gemini hat nur versagt, weil Sie mich zu ihr geschickt haben.«
    »Mein Fehler, Herr Cheng, mein Fehler, ich weiß. Ehrlich gesagt, war ich überzeugt, daß Anna spielend mit Ihnen fertig wird. Wie auch mit Janota.«
    »Ach was! Waren nicht Sie es, der Janota sogar gewarnt hatte?«
    »Eine alte Taktik«, verriet Smolek. »Die Opfer zu warnen. Das hat noch immer geklappt. Es ist wie mit dem Hundekot, auf den sie einen Passanten hinweisen. Umso sicherer steigt er hinein. Ich nenne es Smoleks Gesetz. Man kann es überall auf der Welt beobachten. Auf allen Ebenen. Sie brauchen nur Achtung! schreien, schon rutschen alle aus.«
    »Hat aber diesmal nicht funktioniert.«
    »Ich dachte mir die Sache perfekter. Immerhin bestand die Anweisung der Norweger, Ihnen unter die Arme zu greifen. Ich mußte also etwas tun. Da war ein bißchen viel auf einmal zusammengekommen. Darum meinte ich, wäre es vernünftig, Sie gleich in die richtige Richtung zu weisen. Warum auch nicht? Wie gesagt, ich hätte nie gedacht, daß sich Anna von einem Kerlchen wie Ihnen beeindrucken läßt. Was für eine scheußliche Welt ist das, in der man sich nicht einmal mehr auf eine Anna Gemini verlassen kann?«
    »Warum ich?« fragte Cheng.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Warum haben die Norweger

Weitere Kostenlose Bücher