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Ein dickes Fell

Titel: Ein dickes Fell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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mich beauftragt? Das war doch kein Zufall. So wie es kein Zufall sein kann, daß alles mit diesem Haus hier zusammenhängt. Frau Kremser wohnte hier. Ich wohnte hier.«
    »Ja! Unsere norwegischen Freunde hatten mich gebeten, ihnen einen Mann zu empfehlen, der Wien kennt und sich um den Fall Gude kümmert. Abseits offizieller Wege. Der norwegische Staat ist nervös und paranoid wie alle Staaten. Ich habe mit Lilith darüber gesprochen. Vergessen Sie nicht, Lilith war lange hinter der Kremser hergewesen und hatte auch Gregor Pavor auf sie angesetzt. Der dumme Kerl hat leider vollkommen versagt. Eine Niete. Gut, daß er tot ist.«
    »Das beantwortet meine Frage nicht.«
    »Ich sprach also mit Lilith über die Norweger. Und da kam meiner Schwester die Idee, diesen ehemaligen Nachbarn der Kremser, diesen komischen kleinen Detektiv ins Gespräch zu bringen.«
    »Sie wußte von mir?«
    »Ja. Sie hat sich für alles interessiert, was mit der Kremser zusammenhing. Natürlich auch, wer früher, also noch vor der Rubinstein, Kremsers Nachbar gewesen war. Sie wissen ja wohl in der Zwischenzeit, worum es eigentlich geht: 4711! Die Rezeptur. Die wirkliche Rezeptur, die aus einem Klumpen Erde einen Golem schafft. Und mit Golem ist hier ein richtiger Mensch gemeint: Adam.«
    »An so einen Schwachsinn glauben Sie?«
    Smolek lächelte großmütig. Dann erzählte er, daß Lilith es für eine zumindest interessante Idee gehalten hatte, ihn, Cheng, den ehemaligen Kremsernachbar und Wienflüchtling, den Norwegern vorzuschlagen. Und ihn solcherart nach Wien zu locken.
    »Ich fand das ebenfalls einen netten Plan«, sagte Smolek.
    »Außerdem gefiel mir, wie sehr alles verwoben schien. Grotesk verwoben, aber verwoben. Sie kennen ja diese Spinnennetze, die unter dem Einfluß von Kokain entstehen. Allerdings hätte ich ahnen müssen, daß der Auftritt eines einarmigen Chinesen, der sich für einen einarmigen Wiener
hält …«
    »Ich halte mich nicht für einen, ich …«
    »… nichts Gutes bringen wird«, vollendete Smolek.
    »Ich bin mehr ein Wiener«, meinte Cheng trotzig, »als Sie es je waren.«
    »Hören Sie auf, den Beleidigten zu spielen«, empfahl der kleine Gott. »Ich gebe ja gerne zu, daß es besser gewesen wäre, nicht auf Lilith zu hören.«
    »Sie und Lilith wollen doch gar nicht das gleiche. Dachte ich.«
    »Richtig. Aber wir haben uns darauf geeinigt, so lange zusammenzuarbeiten, bis wir die originale Rezeptur besitzen. Das ist wie eine Koalition im Krieg.«
    »Ein Krieg gegen wen?«
    »Es gibt genügend Leute, die die wahre Bedeutung von 4711 kennen. Wundert Sie das?«
    »Was wird heutzutage nicht alles geglaubt«, sinnierte Cheng, der jetzt überzeugt war, hier mit einem Wahnsinnigen zu sprechen. Oder jemand, der vorgab, wahnsinnig zu sein. Freilich war ihm dieser Wahnsinnige noch eine Menge Antworten schuldig, vor allem auf die Frage, wer das nun gewesen sei, den man tot in Smoleks Wohnung gefunden hatte, in Smoleks Sessel liegend, betrauert von Smoleks Frau, und welcher dem kleinen Gott so täuschend ähnlich gesehen hatte. Cheng wiederholte die Frage.
    »Ein Angestellter«, sagte Smolek, wie man sagt: Ein Pferd, das hinkt.
    »Was soll das heißen, ein Angestellter?«
    »Würde die Polizei ordentlich arbeiten«, bemerkte Smolek, »dann hätte sie zumindest feststellen müssen, daß der Tote nicht dieselbe Blutgruppe aufweist wie der Mann, für den man ihn hält. Wer ist eigentlich für die Leiche zuständig?«
    »Dr. Hantschk.«
    »Meine Güte, der lebt noch?«
    »Sie kennen ihn?«
    »Guter Schachspieler, auch ein guter Arzt. Ich meine, wenn Sie Schnupfen haben. Aber niemand, der wirklich mit einer Leiche umgehen kann. Na gut, er wird schon noch dahinterkommen. Jedenfalls wäre es weit übertrieben, von einem Doppelgänger zu sprechen. Die Leute schauen heutzutage nicht mehr richtig hin. Jeder ist geblendet vom Scheinbaren. Natürlich, dieser Mann hat meine Kleider getragen, besaß die gleiche Figur und Frisur, ähnliche Gesichtszüge. Aber zumindest meine Frau hätte erkennen müssen, daß ich das nicht bin. Daß dort im Sessel ein anderer liegt.«
    »Sein Gesicht war entstellt«, sagte Cheng. »So eine Vergiftung ist kein Klacks.«
    »Trotzdem. Er war nicht mein Doppelgänger«, wiederholte Smolek, »sondern mein Stellvertreter. Ein bezahlter Stellvertreter. Man kann nicht alles selbst machen, wenn man soviel am Hut hat wie ich. Auch ist es mitunter gefährlich, selbst aufzutreten. Sie wissen ja ganz gut, daß ich mehr

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