Ein dickes Fell
zu tun hatte, als mich bloß um österreichische Landeskunde zu kümmern. Oder für meine norwegischen Freunde tätig zu werden. Darum ein Stellvertreter. Ich habe diesen Mann, den man in meinem Zimmer und in meinem Stuhl gefunden hat, und dessen Name nicht zu interessieren braucht, an meiner Stelle dorthin geschickt, wo ich selbst nicht erscheinen wollte. Oder mir einfach die Zeit fehlte.«
»Und da mußte er also auch an Ihrer Stelle sterben.«
»Gewissermaßen ja«, sagte Smolek. »Der Kerl hat nach und nach begonnen, sich äußerlich mir anzugleichen. Was ich nie verlangt habe. Wozu auch? Es wäre nicht nötig gewesen. Aber dieser Mensch wollte offensichtlich seine Rolle perfekt spielen. Ich habe es zugelassen, weil es nicht störte. Bis zu dem Moment, da er sich eingebildet hat, er könnte meine Position vollständig einnehmen. Es hat damit begonnen, daß er mit meiner Frau schlief. Man stelle sich das vor! Hat die Frechheit besessen, eines schönen Vormittags in meiner Wohnung aufzutauchen und sich für mich auszugeben. Um es meiner Frau, wie man so sagt, zu besorgen. Sie war mehr als überrascht gewesen. Freudig überrascht, wie ich leider sagen muß. Selbstverständlich hatten wir schon seit Jahren auf diesen Unsinn verzichtet. Es wird mit der Zeit ja nur noch peinlich. Und da kommt also dieser Saunigel, den ich dafür bezahle, dort zu sein, wo ich selbst nicht sein möchte, und macht meine Frau – wie sie mir später sagt – glücklich wie nie zuvor. Begreifen Sie, Cheng, was das heißt? Wenn die eigene Frau Ihnen in naivem Glauben davon berichtet, wie wunderbar zärtlich und einfühlsam und nicht zuletzt ausdauernd Sie heute morgen waren. Und daß es nie schöner gewesen ist. Und daß nun ein neues Leben anbrechen wird.«
»Ja, das tut wohl weh«, merkte Cheng an.
»Weh? Sie meinen, meine Frau so glücklich zu sehen? Daß hat mir nicht weh getan, bei Gott nicht, sondern mich angewidert. Dieses dumme kleine Glück einer Zukurzgekommenen. Ihr Gesülze dazu. Außerdem meinte sie natürlich, daß auch der Abend ebenso grandios ausfallen würde. Sie hatte diesen nimmersatten Ausdruck im Gesicht. Nun gut, ich habe ihr erklärt, daß ich auch meine Ruhe brauche und so weiter. Danach habe ich diesen verdammten Trittbrettfahrer angerufen und ihn gefragt, was ihm einfällt.«
»Ist wohl auf den Geschmack gekommen.«
»Und wie. Er war auch einer von den Zukurzgekommenen, die dann plötzlich glauben, sie könnten das Schicksal umdrehen. Er hat ernsthaft von mir verlangt, das Feld zu räumen. Und damit gedroht, mich hochgehen zu lassen. Er hätte genügend in der Hand, das übliche Blabla. Er hat sich also vorgestellt, daß ich mit ein wenig Geld nach Kanada oder sonstwohin gehe und er meinen Sessel einnimmt, im Archiv, bei den Norwegern, bei meiner Frau, überall. Was durchaus hätte gelingen können. Wie ich schon sagte, wenn jemand eine bestimmte Krawatte und einen bestimmten Anzug trägt und ein bestimmtes Wort wiederkäut und sich in einer bestimmten Weise schneuzt, achten die Leute nicht mehr so genau auf die Details einer größeren oder kleineren Nase, einer höheren oder tieferen Stimme. Ich denke, selbst wenn der Kerl beschnitten gewesen wäre, hätte das meine Frau nicht irritiert. So sind die Menschen. Erst recht, wenn sie glücklich sind.«
»Kein Glück ohne Blindheit«, fand Cheng.
»In der Tat. Aber wirklich schlimm ist, daß wenn die Zukurzgekommenen dem Wahn der Macht verfallen, man nicht mehr mit ihnen reden kann. Unmöglich. Der Mann wollte alles. Und war auch noch so blöde, mich zu Hause aufzusuchen. Um ein Haar hätte meine Frau uns zusammen gesehen. Ich mußte tun, was ich tat.«
»Wieso 4711?«
»Ich wollte schon immer sehen, was eine solche Überdosis auslöst. Nun, ich muß zugeben, ein Wunder geschah nicht. Immerhin war der Mann danach tot.«
»Aber damit waren auch sie selbst gestorben.«
»Ich hatte natürlich vor, die Leiche verschwinden zu lassen. Und meinte, ich hätte genügend Zeit. Wie konnte ich ahnen, daß Sie und Gemini und Ihre Polizeifreunde in der gleichen Nacht in mein Arbeitszimmer dringen würden.«
»Wegen Carl«, sagte Cheng. »Anna Gemini dachte, Sie hätten ihn entführt.«
»Die dumme Nuß!« schimpfte Smolek und erklärte, daß er, nachdem er seinen Stellvertreter eliminiert und das Arbeitszimmer mit dem Toten versperrt hatte, zum Gartenbaukino aufgebrochen sei, um seine Schwester zu treffen.
»Lilith war dort?«
»Nicht direkt. Sie saß im Wagen, vor
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